Die außergerichtlich entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist von dem Schuldner nicht als Verzugsschaden gem. §§ 280, 286, 249 ff. BGB zu ersetzen, weil die gewählte Art der Beauftragung des Bevollmächtigten mit zwei nach Nr. 2300 und Nr. 3100 VV RVG vergütungspflichtigen Aufträgen gegen die aus § 254 BGB folgende Schadensminderungspflicht verstößt, denn es wurde nicht die kostengünstigste Möglichkeit der Beitreibung der Forderung gewählt.
Klageauftrag statt Zahlungsaufforderung?
Wird zu demselben Gegenstand ein Klageauftrag erteilt, dienen vorprozessuale Aufforderungsschreiben des Rechtsanwaltes an den Schuldner der Vorbereitung der Klage und gehören deshalb gem. § 19 Abs. 1 RVG zum Rechtszug, so dass eine Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG nicht entsteht. Wenn die Klägerin ihrem Prozessbevollmächtigten sogleich einen Klageauftrag erteilt hätte, wäre für das außergerichtliche Schreiben des Prozessbevollmächtigten keine Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG angefallen.
Gläubiger hat kostengünstigste Variante der Forderungsdurchsetzung zu wählen
Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1986, 2243 ff.) sind nicht alle durch das Schadensereignis verursachten Rechtsverfolgungskosten des Geschädigten zu ersetzen. Die Anwendung der in § 254 BGB enthaltenen Regeln führt dazu, dass nur solche Aufwendungen des Gläubigers zu ersetzen sind, die aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Menschen zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Der Geschädigte ist grundsätzlich gehalten, von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwenden Kosten beeinflussen kann. Unter mehreren Möglichkeiten, eine Forderung geltend zu machen, hat der Geschädigte die kostengünstigste zu wählen.
Vorsicht bei gestuftem Vorgehen!
Nach dem RVG kommt – anders als noch nach § 118 Abs. 2 S. 1 BRAGO – bei der Beitreibung einer Forderung eine gestufte Beauftragung in Betracht, bei der die außergerichtliche Tätigkeit zusätzlich zu vergüten ist, da das RVG nur noch eine anteilige Anrechnung der Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG für außergerichtliche Tätigkeit auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG vorsieht (Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG). Die gestufte Beauftragung eines Rechtsanwaltes, bei der Gebühren nach Nr. 2300 VV RVG und 3100 VV RVG entstehen, verstößt deshalb in der Regel gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB), weil stets höhere Rechtsverfolgungskosten als bei Erteilung eines unbedingten Klageauftrages entstehen würden.
Aufklärungspflicht beachten
Der Rechtsanwalt ist zu einer umfassenden Belehrung seines Auftraggebers verpflichtet. Er hat die Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern. Er muss über die günstigste Verfahrensgestaltung belehren und vorab klären, ob im Falle der Erfolglosigkeit außergerichtlicher Bemühungen Klage erhoben werden soll.
Was ist Inhalt des Auftrags?
Wer einen Rechtsanwalt mit der Beitreibung einer Forderung beauftragt, wolle im Zweifel auch Klage erheben. Ein wirtschaftlich denkender Geschädigter rechne mit der Insolvenz des Schuldners und wolle deshalb eine möglichst geringe Vergütung an den Rechtsanwalt zahlen. Wer wie hier für außergerichtliche Tätigkeit eine 1,3-Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG ausgeben würde, obwohl bei Erteilung eines Klageauftrages diese Tätigkeit neben der 1,3-Verfahrensgebühr nicht zu vergüten sei, würde sich wirtschaftlich nicht vernünftig verhalten und Kosten auslösen, die nicht erforderlich gewesen seien.
Die Klägerin hätte auch sogleich einen Klageauftrag erteilen dürfen. Denn aus § 254 BGB lasse sich nicht die Verpflichtung eines Gläubigers ableiten, vor Erteilung eines Klageauftrages zunächst etwa durch ein einfaches, nach Nr. 2302 VV RVG vergütungspflichtiges Schreiben eine außergerichtliche Regulierung zu versuchen. Der Geschädigte könne sogleich den zweckmäßigsten und sichersten Weg der Beitreibung durch Erteilung eines Klageauftrages wählen.
Führt Drohung zur Selbstbindung?
Angesichts der Mahnung der Klägerin, in der sie formuliert, dass es sich um die zweite und letzte außergerichtliche Mahnung handele, und sie ankündigte, bei ausbleibender Zahlung das gerichtliche Mahnverfahren einzuleiten, ist es unverständlich, warum sie entgegen ihrer eigenen Ankündigung einen nach Nr. 2300 VV RVG vergütungspflichtigen Auftrag zur außergerichtlichen Tätigkeit erteilt hätte.