Durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren zur Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs entsteht eine 1,3-Verfahrensgebühr nach der Nr. 3100 VV RVG.
OLG München, 14.8.2009 – 11 WF 1361/09
I. Der Fall
1,3-Verfahrensgebühr für Vollstreckbarkeitserklärung des Anwaltsvergleiches?
Das AG – Familiengericht – hat auf Antrag der Klägerin den von den Parteien abgeschlossenen und niedergelegten Anwaltsvergleich für vollstreckbar erklärt. Die Kosten des Verfahrens sind der Klägerin auferlegt worden. Der Rechtspfleger hat die von der Klagepartei an die Beklagtenpartei zu erstattenden Kosten in Höhe einer 1,3-Verfahrensgebühr nach der Nr. 3100 VV-RVG zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend macht, es sei nur eine 0,3-Verfahrensgebühr nach der Nr. 3309 VV-RVG angefallen.
II. Die Entscheidung
Das OLG München hat die zulässige Beschwerde (§§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO) als unbegründet angesehen. Der Rechtspfleger hat zutreffend eine 1,3-Verfahrensgebühr gemäß der Nr. 3100 VV-RVG festgesetzt.
Das OLG München sagt ja!
Eine 1,3-Verfahrensgebühr gemäß der Nr. 3100 VV-RVG fällt in allen gerichtlichen Verfahren erster Instanz an, auf die Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses anzuwenden ist, wenn nicht in den folgenden Abschnitten besondere Gebühren vorgesehen sind. Die Nrn. 3100 ff. VV-RVG haben also die Bedeutung einer Auffangregelung für alle in VV-RVG, Teil 3, geregelten gerichtlichen Verfahren (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., VV 3100 Rn 4). Die Funktion der Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs besteht darin, eine Privaturkunde in eine öffentliche Urkunde mit Titelfunktion umzuwandeln. Vollstreckungstitel ist entgegen der Auffassung der Klägerin in diesem Fall nicht der Vergleich selbst, auch wenn sich der Beklagte darin der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, sondern der gerichtliche Beschluss über dessen Vollstreckbarkeit. Mit Zwangsvollstreckung hat die Vollstreckbarerklärung also noch nichts zu tun (MünchKommZPO – Wolfsteiner, § 796a Rn 28). Für ein Zwangsvollstreckungsverfahren ist nämlich das Vorliegen eines Titels bereits Voraussetzung. Im Falle der Vollstreckbarerklärung hat das Prozessgericht, dessen Zuständigkeit gemäß § 796b ZPO gegeben ist, dagegen vorweg zu prüfen, ob der Vergleich ordnungsgemäß zustande gekommen und damit wirksam ist. Deshalb ist auch die funktionelle Zuständigkeit des Richters gegeben und nicht die des Rechtspflegers oder gar des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, wie dies bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel (§§ 724, 725 ZPO), die das Vorliegen eines Titels voraussetzt, der Fall ist.
Verfahren vor dem Richter führt zum Titel
Bei der Vollstreckbarerklärung handelt es sich dagegen um eine Maßnahme, die erst einen Titel schafft und damit die Vollstreckbarkeit des Anwaltsvergleichs herbeiführt. Durch die Tätigkeit der Beklagtenvertreter im vorliegenden gerichtlichen Verfahren ist somit eine 1,3-Verfahrensgebühr gemäß der Nr. 3100 VV-RVG entstanden und auch zu erstatten (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, a.a.O.; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., § 36 Rn 21; Zöller/Geimer, ZPO, 27. Aufl., § 796a Rn 30; Musielak/Voit, ZPO, 6. Aufl., § 796b Rn 5).
Es gibt auch andere Stimmen
Der Gegenmeinung, die von einer Tätigkeit des Rechtsanwalts in der Zwangsvollstreckung ausgeht und nur eine 0,3-Verfahrensgebühr gemäß der Nr. 3309 VV-RVG zubilligt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 796b Rn 7; Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., RVG-VV 1000 Rn 12), folgt das OLG aus den oben genannten Gründen nicht.
III. Der Praxistipp
Entscheidung gibt Gebührenpotential
Die Entscheidung des OLG München ist für die Bevollmächtigten betriebswirtschaftlich zu begrüßen, sichert sie doch einen erheblichen Gebührenzuwachs gegenüber einem Mahnverfahren oder einem erstinstanzlichen Klageverfahren.
Anwaltsvergleich anstreben
Vor dem Hintergrund der Entscheidung sollte der Bevollmächtigte des Gläubigers stets einen Anwaltsvergleich anstreben. Tatsächlich wird dieses Instrument in der Praxis aber sehr selten genutzt. Tatsächlich muss aber beachtet werden, dass eine außergerichtliche Einigung für den Mandanten nur dann Sinn macht, wenn die Forderung darauf sofort erfüllt wird oder er anderenfalls schnell und ohne größeren sachlichen, personellen und finanziellen Aufwand einen Vollstreckungstitel erhält. Dies kann entweder – kostengünstiger – durch ein notarielles Schuldanerkenntnis geschehen oder aber eben durch den Anwaltsvergleich unter Beachtung der formellen Anforderungen der §§ 796a und b ZPO. Der Bevollmächtigte des Schuldners kann den Anwaltsvergleich aus anwaltlicher Fürsorge dagegen nur empfehlen, wenn ihm sichergestellt erscheint, dass der Vergleich auch erfüllt wird. Anderenfalls sollte er die Einigung ablehnen und es auf eine Titulierung im Mahnverfahren ankommen lassen. Dies ist für den Schuldner dann insgesamt kostengünstiger, wenn...