Leitsatz
1. Der Anspruch des in der Maßregel der Sicherungsverwahrung Untergebrachten auf Auszahlung des Eigengeldes unterliegt den Pfändungsschutzvorschriften der ZPO nicht. Die §§ 850c, 850k Abs. 1 S. 1, 811 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind weder direkt noch analog anwendbar.
2. Das verfassungsrechtlich postulierte Abstandsgebot zwischen dem Maßregel- und dem Strafvollzug gebietet keine analoge Anwendung der Pfändungsschutzvorschriften der ZPO.
LG Freiburg, Beschl. v. 13.2.2023 – 3 T 67/22
1 Der Fall
Schuldner im Maßregelvollzug statt in der Strafhaft
Der Schuldner ist nach Verbüßung von Strafhaft seit dem 18.1.2021 im Vollzug der Maßregel der Sicherungsverwahrung untergebracht.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG die Vollstreckungserinnerung des Schuldners gegen die bisherige und künftige Pfändung seines aus freiwilliger Arbeit erworbenen und auf dem sog. Eigengeldkonto geführten Arbeitseinkommens zurückgewiesen.
Pfändung des Eigengeldes des Strafgefangenen
Die Staatskasse hat gegen den Betroffenen aus den gegen diesen geführten Strafverfahren Forderungen von ursprünglich 16.078,53 EUR. Zum 21.3.2022 betrugen die Schulden noch 15.249,83 EUR. Die Gläubigerin erwirkte wegen der Forderungen am 19.4.2018 und am 8.9.2021 jeweils Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse (PfÜB) über den Gesamtbetrag und pfändete das dem Untergebrachten als Eigengeld bereits gutgeschriebene und künftig noch gutzuschreibende Eigengeld, soweit es das Überbrückungsgeld überschreite. Die sicherungsverwahrende Justizvollzugsanstalt erkannte die Forderung an.
Schuldner hat Überbrückungsgeld voll angespart
Der Schuldner arbeitet seit März 2021 im Maßregelvollzug im Montagebetrieb und erhält hierfür gemäß § 45 JVollzGB V BW Arbeitsentgelt. 3/7 davon werden auf das sog. Hausgeldkonto gebucht, 4/7 werden dem sog. Eigengeld zugeschlagen. Seit dem 5.10.2021 hatte der Schuldner das unpfändbare Überbrückungsgeld gemäß § 48 JVollzGB V BW in Höhe von 2.131,50 EUR voll angespart. Daneben erhält der Schuldner Taschengeld, das seinem Eigengeld zugeschrieben wird.
Schuldner rügt Nichteinhaltung der Pfändungsfreigrenzen
Mit Schreiben vom 11.3.2022 hat sich der Schuldner an das AG gewandt. Im Wesentlichen beanstandet er, die Justizvollzugsanstalt beachte die Pfändungsfreigrenzen nicht. Zwar könne das Arbeitseinkommen Strafgefangener gepfändet werden; für den Schuldner als Sicherungsverwahrten gelte dies aber nicht. Der Schuldner begehre die Einhaltung der Pfändungsfreigrenze von aktuell 1.260 EUR. Mit Schreiben vom 7.4.2022 hat der Schuldner sein Anliegen konkretisiert und wörtlich begehrt, die Rechtswidrigkeit der bisherigen und kommenden "Pfändungs-Abschöpfung" festzustellen. Im Übrigen hat der Schuldner die Einhaltung des Zitiergebotes gerügt.
Anträge des Schuldners erfolglos
Mit Beschluss vom 20.4.2022 hat das AG einen vermeintlichen Antrag des Schuldners nach § 765a ZPO zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das LG diesen Beschluss aufgehoben (3 T 57/22). Mit weiterem Beschluss vom 13.5.2022 hat das AG die Vollstreckungserinnerung des Schuldners zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner sofortigen Beschwerde.
2 II. Die Entscheidung zusammengefasst
Die Vollstreckungserinnerung nach § 766 statt § 765a ZPO ist einschlägig
Die Vollstreckungserinnerung ist nach § 766 Abs. 1 ZPO statthaft. Der Schuldner begehrt bei verständiger Würdigung seines Vorbringens nicht lediglich die Feststellung der Rechtswidrigkeit in der Vergangenheit liegender Pfändungsmaßnahmen. Er moniert die Rechtmäßigkeit der Pfändung seines Eigengeldes unter Behauptung der Verletzung der Pfändungsfreigrenzen der ZPO seit September 2021 bis heute und für die Zukunft und erstrebt mit dieser Begründung die Aufhebung der von der Gläubigerin erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse.
Er macht auch nicht geltend, die JVA beachte die von ihm insoweit als richtig akzeptierten Grenzen des PfÜB nicht, sondern er moniert die Rechtmäßigkeit der Pfändung selbst. Dieser Einwand ist im Rahmen der Vollstreckungserinnerung und nicht etwa im Verfahren nach § 109 StVollzG zu überprüfen (vgl. BGH, Beschl. v. 11.9.1990 – 5 AR Vollz 27/90).
Auf die Vollstreckungsabwehrklage kann der Schuldner schon deswegen nicht verwiesen werden, weil er keine materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den titulierten Anspruch geltend macht, den er nach Grund und Höhe ausdrücklich als korrekt hinnimmt. Die Feststellungsklage wird dem Begehr des Schuldners nicht gerecht, die Aufhebung der Pfändungsmaßnahmen zu erreichen.
Pfändungsschutzvorschriften für Arbeitseinkommen sind unbeachtlich
Die Vollstreckungserinnerung ist unbegründet. Die Pfändung des Eigengeldes des Schuldners verstößt nicht gegen Pfändungsschutzvorschriften. Die Voraussetzungen für die analoge Anwendung der Pfändungsschutzvorschriften liegen nicht vor. Auch das Abstandsgebot zwischen Strafgefangenen und in der Maßregel der Sicherungsverwahrung Untergebrachten gebietet aus verfassungsrechtlichen Gründen keine analoge Anwendung.
Eigengeld (auch) des Untergebrachten unterliegt der Pfändung
Das ...