Leitsatz
1. Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist, d.h. während der Wohlverhaltensphase nach § 295 Nr. 2 InsO, Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirbt, zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben.
2. Ist der Schuldner Miterbe in einer nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft, erfolgt die Auseinandersetzung außerhalb des Insolvenzverfahrens nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
3. Ist dem Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Erbschaft angefallen oder geschieht dies während des Verfahrens, so steht neben der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft auch die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist nur dem Schuldner zu.
BGH, Beschl. v. 28.9.2023 – IX ZA 14/23
1 Der Fall
Schuldnerin ist gesetzliche Erbin
Die Beklagte ist die Ehefrau des im Juli 2013 verstorbenen Erblassers. Die Schuldnerin ist die Tochter des Erblassers aus erster Ehe. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 22.7.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Treuhänder bestellt. Am 13.9.2016 wurde der Schuldnerin die beantragte Restschuldbefreiung erteilt.
Nachträgliche Anfechtung wegen Versäumung der Ausschlagungsfrist
Nach dem Tod des Erblassers trat zunächst die gesetzliche Erbfolge ein, nachdem die Erbinnen die Frist für die Ausschlagung der Erbschaft hatten verstreichen lassen. Im März 2016 stellte das Finanzamt gegen die Erbinnen Steuerverbindlichkeiten des Erblassers in Höhe von knapp 400.000 EUR fällig. Diese Verbindlichkeiten überstiegen den Wert der Aktiva des Nachlasses. In der Folge erklärte die Schuldnerin gegenüber dem Nachlassgericht die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist wegen Irrtums über die Existenz der Steuerverbindlichkeiten.
Insolvenzverwalter begehrt Feststellung der Erbenstellung
Der Kläger begehrte vor AG und LG erfolglos im Rahmen einer Erbenfeststellungsklage die Feststellung, dass die Schuldnerin Erbin mit einem Erbanteil zu ¾ geworden sei, weil sie die Versäumung der Ausschlagungsfrist nicht wirksam habe anfechten können. Nunmehr begehrt er PKH für die Durchführung des Revisionsverfahrens.
2 II. Die Entscheidung zusammengefasst
BGH sieht keine Aussicht auf Erfolg
Der Antrag auf Bewilligung von PKH wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Zulassung der Revision kommt nur in Betracht, wenn die Rechtsfrage, wegen der die Zulassung erfolgen soll, entscheidungserheblich ist (BGH NJW 2003, 1125, 1126). Daran fehlt es hier.
Qualität der Forderung ist unerheblich
Die vom LG herausgearbeitete streitige Rechtsfrage, ob eine Nachlassverbindlichkeit bei Insolvenz des Erben als Neuverbindlichkeit, Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung zu qualifizieren ist, muss nicht entschieden werden. Das LG hat zutreffend erkannt, dass sich die Frage nicht stellt, wenn der Schuldner, wie hier, Miterbe in einer nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft ist.
Miterben erwerben den Nachlass zur gesamten Hand mit der Folge, dass ein Miterbe bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft über seinen Anteil an den Nachlassgegenständen nicht verfügen kann, §§ 2032, 2033 Abs. 2 BGB. Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft richtet sich nach §§ 2042 ff BGB. Im Zuge der Auseinandersetzung sind gemäß § 2046 Abs. 1 S. 1 BGB aus dem Nachlass zunächst die Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen. Dies gilt auch im Fall der Insolvenz eines der Miterben, wie durch § 84 Abs. 1 S. 1 InsO, der nach einhelliger Auffassung auch für die Erbengemeinschaft gilt (Jaeger/Eckardt, InsO, § 84 Rn 29; MüKo-InsO/Gehrlein, 4. Aufl., § 84 Rn 17; HK-InsO/Kayser, 11. Aufl., § 84 Rn 18; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2021, § 84 Rn 25), klargestellt wird.
Der ideelle Anteil an der Erbengemeinschaft ist noch kein Vermögen
§ 84 Abs. 1 S. 1 InsO trägt dem Umstand Rechnung, dass das Insolvenzverfahren nur das Vermögen des Schuldners einschließlich des Neuerwerbs erfasst. Besteht zwischen dem Schuldner und Dritten eine Gemeinschaft nach Bruchteilen, eine andere Gemeinschaft oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so fällt nur der ideelle Anteil des Schuldners an der Gemeinschaft oder Gesellschaft in die Insolvenzmasse, nicht aber das Vermögen selbst (vgl. BGH BGHZ 170, 206 Rn 20). Denn Anteile an den einzelnen Gegenständen des Gesamthandsvermögens sind rechtlich nicht verselbstständigungsfähig. § 84 Abs. 1 S. 1 InsO verweist den Insolvenzverwalter auf die Teilung und sonstige Auseinandersetzung nach den Regeln der entsprechenden Gemeinschaft. Erst nach der Auseinandersetzung der Gesamthandsgemeinschaft hört das vormalige Gesamthandsvermögen als Sondervermögen auf zu existieren. Der Insolvenzmasse steht dann nur das auf den Schuldner entfallende Auseinandersetzungsguthaben zur Verfügung (Jaeger/Eckardt, InsO, § 84 Rn 29; HK-InsO/Kayser, 11. Aufl., § 84 Rn 1; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2021,...