Leitsatz
Der mit dem Gesetz zum Pfändungsschutz der privaten Altersvorsorge eingeführte Schutz bestimmter privater, zur Altersvorsorge abgeschlossener Versicherungen erstreckt sich nur auf das vom Versicherungsnehmer aufgebaute Deckungskapital und die nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erbringenden Leistungen, nicht jedoch auf die für die Einzahlung erforderlichen Mittel des Schuldners.
BGH, 12.5.2011 – IX ZB 181/10
1 I. Der Fall
Schuldner will zusätzlichen Freibetrag für Ansparung nach § 850c ZPO
In dem auf seinen Antrag am 28.9.2009 eröffneten Insolvenzverfahren, in dem die weitere Beteiligte als Treuhänderin bestellt ist, begehrt der im Jahre 1952 geborene Schuldner, der von 1991 bis 2007 selbstständig tätig war und nunmehr mit einem Bruttoeinkommen von ca. 3.700 EUR monatlich abhängig beschäftigt ist, einen Betrag von zusätzlich 600 EUR pro Monat pfändungsfrei zu stellen. Der Schuldner hatte mit Vertragsbeginn 1.12.2008 eine Versicherung mit der A.-AG abgeschlossen, die einen monatlichen Regelbeitrag von 600 EUR vorsieht. Er ist der Auffassung, nicht nur das eingezahlte Kapital und die späteren Rentenleistungen, sondern auch der für die monatlichen Beitragszahlungen zum Aufbau einer privaten Altersversicherung benötigte Teil seines Einkommens müsste pfändungsfrei sein.
Schuldner bleibt in allen Instanzen erfolglos
Das Insolvenzgericht hat den Antrag des Schuldners zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist ebenfalls erfolglos geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner sein Begehren weiter.
2 II. Die Entscheidung
Pfändungsfreier Jahreswert bestimmt sich nach dem Alter
Nach § 851c Abs. 2 S. 1 ZPO kann der Schuldner nach seinem Lebensalter gestaffelt jährlich einen bestimmten Betrag auf der Grundlage eines nach § 851c Abs. 1 ZPO abgeschlossenen privaten Altersrentenvertrags pfändungsfrei ansammeln. Gemäß § 851c Abs. 2 S. 2 ZPO beträgt der pfändungsfreie Jahresbetrag vom 54. bis zum vollendeten 59. Lebensjahr 8.000 EUR. Vom Schutz dieser Vorschriften umfasst wird nur der jährlich angesparte Betrag. Ein weitergehender Schutz, der auch das Einkommen des Schuldners erfasst, das zum Aufbau der privaten Altersversorgung eingesetzt wird, ist der Regelung nicht zu entnehmen (so schon LG Bonn ZVI 2009, 214; LAG Niedersachsen, v. 19.8.2010, 4 Sa 970/09; Tavakoli, NJW 2008, 3259).
Wortlaut zum Pfändungsumfang nicht eindeutig
Zwar könnte der Wortlaut des § 851c Abs. 2 ZPO, nach dem der Schuldner abhängig von seinem Lebensalter einen bestimmten Betrag pro Jahr "unpfändbar ansammeln" kann, dafür sprechen, dass auch die Einkünfte des Schuldners, die dieser einsetzt, um eine geschützte Altersvorsorge im Sinne des § 851c Abs. 1 ZPO aufzubauen, pfändungsfrei bleiben müssen.
Anders die Entstehungsgeschichte
Nach der Entstehungsgeschichte des § 851c ZPO kommt jedoch eine entsprechende Auslegung der Vorschrift nicht in Betracht. In der Begründung zu der Regelung führt der Gesetzgeber an mehreren Stellen aus, mit der Vorschrift solle ein "zweistufiger Pfändungsschutz" geschaffen werden (BT-Drucks 16/886, S. 7, 10; vgl. auch Tavakoli, a.a.O. S. 3262; Flitsch, ZVI 2007, 161, 163). Von einem dreistufigen Pfändungsschutz, der auch die zum Aufbau der Altersvorsorge erforderlichen Beträge erfasst, ist dort keine Rede. Geschützt werden sollen nur das angesammelte Deckungskapital und die laufenden Bezüge aus der privaten Altersvorsorge.
Auch systematische Stellung spricht gegen weiten Pfändungsschutz
Ein weitergehender Pfändungsschutz wäre systematisch auch nicht in § 851c Abs. 2 ZPO anzusiedeln gewesen. Er gehörte vielmehr in eine der Regelungen der §§ 850 ff. ZPO, etwa in § 850f Abs. 1 ZPO. Hätte der Gesetzgeber einen entsprechenden Schutz gewollt, hätte es nahe gelegen, eine solche Ergänzung vorzunehmen oder auf einen der Tatbestände des § 850f Abs. 1 ZPO zu verweisen. Tatsächlich wird in § 851c Abs. 3 ZPO aber nur auf § 850e Nr. 2 und Nr. 2a ZPO Bezug genommen. Dies hat zur Folge, dass bei Leistungen aus mehreren Lebensversicherungsverträgen oder einer privaten Lebensversicherung und gesetzlichen Rentenanwartschaften gegebenenfalls mehrere unpfändbare Beträge zusammengerechnet werden können. Für einen Schutz der zum Aufbau des Kapitalstocks erforderlichen Mittel folgt hieraus nichts.
Letztlich gebieten Sinn und Zweck der Regelung keine andere Sichtweise
Sinn und Zweck der Vorschrift, bestehende Regelungslücken bei dem Vollstreckungszugriff gegen selbständige Personen zu schließen und diesen einen ähnlichen Pfändungsschutz ihrer Altersvorsorge zu verschaffen, wie sie abhängig Beschäftigte im Hinblick auf ihre Sozialversicherungsbezüge genießen (vgl. Holzer, ZVI 2007, 113 f.; Wimmer, ZInsO 2007, 281; Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, 2. Aufl., Kap. 8 Rn 21), gebieten einen entsprechenden Schutz ohne eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung nicht. Der Aufbau des für eine Altersvorsorge erforderlichen Kapitalstocks kann bei Selbständigen auf ganz unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Er muss nicht notwendi...