Ein Titel reicht aus!
Soll ein "Oder-Konto" gepfändet werden, so reicht grundsätzlich ein Vollstreckungstitel gegen einen der Ehegatten aus, um die Pfändung ausbringen zu können. Allerdings hindert die Pfändung den anderen Ehegatten und Kontoinhaber grundsätzlich nicht, über das Guthaben zu verfügen (BGH NJW 1985, 2698). Die Ehegatten sind insoweit Gesamtgläubiger und gemäß § 428 BGB berechtigt, jeder für sich die gesamte Leistung von der Bank zu fordern, während diese die Leistung nur einmal bewirken muss. Hieraus ergibt sich, dass jeder einzelne Kontoinhaber hinsichtlich der ganzen Leistung selbstständig forderungsberechtigt und sein Forderungsrecht vom Recht des anderen Gläubigers unabhängig ist.
Hinweis
Das wirkt sich vor allem bei der Sicherungsvollstreckung (§ 720a ZPO), der Vorpfändung (§ 845 ZPO) oder dem Arrest (§ 930 ZPO) aus. Hier besteht faktisch keine Sicherung, weil der andere Ehegatte in der Sicherungsphase seinerseits das gesamte Guthaben abheben kann, ohne durch die Pfändung beschränkt zu sein (OLG Dresden WM 2001, 1148; Musielak-Becker, ZPO, § 850k Rn 12; a.A.OLG Stuttgart InVo 1999, 150).
Welcher Anspruch ist von der Pfändung umfasst?
Bei einem gemeinschaftlichen Oder-Konto der Eheleute kann jeder der beiden Kontoinhaber für sich über das gesamte Guthaben verfügen, sodass eine Pfändung gegenüber einem der Oder-Konto-Inhaber auch im Umkehrverhältnis den gesamten Auszahlungsanspruch erfasst und dem anderen Kontoinhaber nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses kein Anspruch mehr auf Auszahlung des Kontoguthabens zusteht, sofern auch die Überweisung erfolgt ist (BGH NJW 1985, 1218; LG Deggendorf JurBüro 2005, 275; LG Itzehoe JurBüro 2010, 439; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl. Rn 163; Diepold/Hintzen, Musteranträge für Pfändung und Überweisung, 10. Aufl., Kap. 36 Rn 30). Der Bank steht kein Wahlrecht zu, an welchen der Gesamtgläubiger sie leistet. Vielmehr ist sie verpflichtet, an denjenigen zu leisten, der die Auszahlung als erster verlangt. Ein solches (primäres) Leistungsverlangen ist in der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu sehen (Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl. Rn 339 m.w.N.).
Herausgabeanspruch des anderen Ehegatten?
Diese umfassende Zugriffsmöglichkeit betrifft zunächst nur das Außenverhältnis zwischen Drittgläubiger und Bank. Ansonsten muss nach Ansicht des OLG Koblenz (NJW-RR 1990, 1385; ebenso wohl Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl. Rn 339 für das Gemeinschaftssparbuch, anders aber für das Girokonto: Rn 163) auch zulasten des Gläubigers eines Gesamtgläubigers die im Innenverhältnis zwischen den Gesamtgläubigern geltende Ausgleichspflicht Beachtung finden mit der Folge, dass nur der dem Gesamtgläubiger tatsächlich zustehende Anteil an der Festgeldeinlage dem effektiven Gläubigerzugriff unterliegt. Das OLG Koblenz hat dem anderen Ehegatten deshalb ein Widerspruchsrecht im Sinne des § 771 ZPO zugebilligt. Dem ist allerdings der BGH nicht gefolgt (BGH v. 6.6.2002 – IX ZR 169/01 = BGHR 2003, 50; ebenso OLG Nürnberg JurBüro 2002, 497). Der Ausgleichsanspruch ist allein im Innenverhältnis zwischen dem Vollstreckungsschuldner und dem anderen Ehegatten zu klären, nicht anders als wenn der Vollstreckungsschuldner die Beträge selbst abgehoben und für sich verbraucht hätte (Diepold/Hintzen, Musteranträge für Pfändung und Überweisung, 10. Aufl., Kap. 36 Rn 30; Wagner, WM 1991, 1145). Das ist auch interessengerecht, weil der Pfändungspfandgläubiger bereits über einen Titel verfügt, der andere Ehegatte dagegen nur einen untitulierten schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch hat. Der Auffassung des OLG Koblenz kann daher nicht gefolgt werden.
Kein gemeinsames P-Konto
Die Komplikation eines gemeinsamen Pfändungsschutzkontos (P-Konto) des Schuldners mit seinem Ehegatten kann nicht eintreten. Nach § 850k Abs. 8 Satz 1 ZPO darf kein gemeinsames P-Konto geführt werden (Musielak/Becker, ZPO, § 850k Rn 8c und 9). Das hat der Gesetzgeber bewusst so geregelt (BT-Drucks 16/78615, S. 20).
FoVo 7/2015, S. 130 - 131