Das LG folgt dem AG
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist aber unbegründet. Das AG hat den Erlass des beantragten PfÜB zu Recht abgelehnt. Der Antrag des Gläubigers ist unwirksam und daher unzulässig, denn er wurde nicht in der nach §§ 130a, 130d ZPO vorgeschriebenen elektronischen Form übermittelt.
Unmittelbare Anwendbarkeit von §§ 130a, 130d ZPO
1. Zu Recht ist das AG davon ausgegangen, dass die §§ 130a, 130d ZPO auch ohne expliziten Verweis auf die Anträge nach §§ 828 ff. ZPO unmittelbar anwendbar sind.
Gem. §§ 130a Abs. 1, 130d S. 1 ZPO sind u.a. schriftlich einzureichende Anträge als elektronische Dokumente bei Gericht einzureichen. Nur soweit die elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 130d S. 2 und 3 ZPO).
Die Einreichung ist eine Frage der Zulässigkeit und daher von Amts wegen zu beachten. Bei Nichteinhaltung ist die Prozesserklärung nicht wirksam. Im Falle der Klage erfolgt eine Abweisung durch Prozessurteil (BT-Drucks 17/12634, S. 27; LG Frankfurt a.M., VU v. 19.1.2022 – 13 0 60/21 m.w.N.).
Dabei gilt § 130d S. 1 ZPO grundsätzlich für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO (BT-Drucks 17/12634, S. 28). Hierunter fällt auch der Antrag auf Erlass eines PfÜB, denn dieser ist gem. § 2 ZVFV auf einem Formular eigenhändig zu unterschreiben oder mit qualifizierter Signatur zu versehen (Riedel, in: BeckOK-ZPO, 44. Ed. 1.3.2022, § 829 ZPO Rn 18a f.; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, 19. Aufl. 2022, § 829 ZPO Rn 2a). Einer gesonderten Verweisungsnorm nach dem Vorbild des Klarstellungszwecken dienenden § 753 Abs. 5 ZPO (vgl. Seibel, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 753 ZPO Rn 16) für Anträge, die zur Vollstreckung an den Gerichtsvollzieher zu richten sind, bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.
§ 829a ZPO begründet keine andere Sicht der Dinge
2. Anderes folgt nicht aus der Regelung in § 829a ZPO, nach der bei Pfändung und Überweisung einer Geldforderung die Übermittlung der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids entbehrlich ist. Voraussetzung ist u.a., dass die sich daraus ergebende Forderung einschließlich titulierter Nebenforderungen und Kosten nicht mehr als 5.000 EUR beträgt.
§ 829a ZPO dient der Vereinfachung und Beschleunigung des Zwangsvollstreckungsverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen. Die Vorschrift hat keine Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 130d ZPO zum Gegenstand (Flockenhaus, in: Musielak/Voit, 19. Aufl. 2022, § 829a ZPO Rn 1; Riedel, in: BeckOK-ZPO, 44. Ed. 1.3.2022, § 829a ZPO Rn 8, Herget, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 829a ZPO Rn 2), was sich bereits aus dem Wortlaut der Norm ergibt: "Im Fall eines elektronischen Antrags zur Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid".
Soweit der Gläubiger geltend macht, dass § 829a ZPO Gläubiger in der Zwangsvollstreckung ungleich behandelt, trifft dies zu. Indes ist diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Mit der Regelung geht neben dem Entfallen der Vorschusspflicht (§ 12 Ab. 6 S. 2 GKG) eine beschränkte Überprüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen einher, sodass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich zum Schutz der Schuldner wertmäßig begrenzt hat (siehe BT-Drucks 16/10069, S. 34; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, 19. Aufl. 2022, § 829a ZPO Rn 2). Soweit der Gesetzgeber diese Grenze bei dem Betrag von 5.000 EUR gezogen hat, ist weder vorgebracht noch sonst ersichtlich, dass dieser Betrag verfehlt ist.
Mehraufwand der Titelzuordnung bleibt unbeachtlich
3. Ebenso wenig ist die Pflicht zur elektronischen Antragsübermittlung aus § 130d ZPO wegen des mit der Zuordnung des papierförmigen Titels bei Gericht verbundenen Mehraufwands teleologisch zu reduzieren.
Es fehlt schon an der hierfür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Ausweislich der Gesetzesbegründung gilt § 130d nicht nur für das Erkenntnisverfahren im ersten Rechtszug, sondern grundsätzlich für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO (BT-Drucks 17/12634, S. 28). Dass die Einführung der elektronischen Dokumentenführung innerhalb einer – ggf. auch längeren – Übergangszeit durch die Parallelität papierförmiger und elektronischer Dokumente Mehraufwand bei der Verfahrensbearbeitung nach sich ziehen werde, lag dabei offen zutage und war dem Gesetzgeber bewusst. Zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten hat er sich jedoch entschieden, dies in Kauf zu nehmen. Soweit dieser Mehraufwand auch eine Verzögerung der Zwangsvollstreckung nach sich zieht, hat das AG zutreffend darauf hingewiesen, dass nach § 12 Abs. 6 GKG ohnehin der Gerichtskostenvorschuss zunächst anzufordern oder dem Antrag zuzuordnen ist. Nach dem in § 12 Abs. 6 S. 2 ZPO normierten Verzicht auf den Vorschuss im Anwendungsbereich der Vereinfachungsvorschrift in § 829a ZPO spricht auch die Gesetzessystematik gegen die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke.
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