Leitsatz
1. Der Vollstreckungsantrag nach § 7 S. 1 und 2 JBeitrG (bis 2017 JBeitrO) entspricht den im elektronischen Rechtsverkehr geltenden Formanforderungen, wenn er entweder von der ihn verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert worden ist oder von der ihn verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden ist (§ 130a Abs. 3 S. 1 ZPO). Weitere Formerfordernisse bestehen nicht.
2. Dies ist auch auf einen Verhaftungsantrag zu übertragen, den der Gläubiger in einem Verfahren stellt, dem ein Vollstreckungsantrag nach § 7 S 1 und 2 JBeitrG zugrunde liegt.
3. Der Vollstreckungsantrag nach § 7 S. 1 JBeitrG ersetzt jedoch nicht – über den vollstreckbaren Schuldtitel hinaus (§ 7 S. 2 JBeitrG) – auch den Haftbefehl. Vielmehr muss der Gläubiger den Haftbefehl dem Gerichtsvollzieher (GV) in Papierform als Ausfertigung übergeben oder – soweit vorhanden – als gerichtliches elektronisches Dokument (§ 130b ZPO) übermitteln.
BGH, Beschl. v. 26.10.2023 – I ZB 114/22
1 Der Fall
Zivilrechtliche Vollstreckung eines öffentlich-rechtlichen Ordnungsgeldes
Das für die Gläubigerin, die Bundesrepublik Deutschland, handelnde Bundesamt für Justiz (BfJ) betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einem Ordnungsgeldverfahren.
Das BfJ beauftragte am 15.7.2022 die Verhaftung des gesetzlichen Vertreters der Schuldnerin unter Bezugnahme auf einen als PDF-Dokument beigefügten Haftbefehl vom 14.1.2022. Der Antrag ist qualifiziert elektronisch signiert. Er wurde über das besondere elektronische Behördenpostfach (beBPo) des BfJ an das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des AG zur Weiterleitung an den zuständigen GV übermittelt.
GV möchte Verhaftungsauftrag und Haftbefehl im Original
Die Gerichtsvollzieherin bat um Übersendung des Verhaftungsauftrags und des Haftbefehls im Original.
Das AG hat die hiergegen gerichtete Erinnerung der Gläubigerin zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist vor dem LG erfolglos geblieben. Beide Instanzen sind dem GV gefolgt. Mit der vom LG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Vollstreckungsantrag weiter.
2 II. Die Entscheidung
BGH differenziert zwischen Verhaftungsantrag und Haftbefehl
In der Sache bleibt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg. Zwar genügt der Verhaftungsantrag der Gläubigerin für sich genommen den im elektronischen Rechtsverkehr geltenden Formanforderungen. Dem GV muss der Haftbefehl bei dessen Ausführung jedoch als Ausfertigung oder als gerichtliches elektronisches Dokument vorliegen, woran es fehlt. Es kann daher offenbleiben, ob die Einreichung des (ursprünglichen) Vollstreckungsantrags den Formanforderungen im elektronischen Rechtsverkehr entsprochen hat.
Verhaftungsauftrag genügt dem elektronischen Rechtsverkehr
Der von der Gläubigerin als zuständiger Stelle gestellte Antrag auf Verhaftung des gesetzlichen Vertreters der Schuldnerin genügt für sich genommen den im elektronischen Rechtsverkehr geltenden Formanforderungen.
Justizverwaltungsabgaben i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 JBeitrG, die beim Bundesverfassungsgericht, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Bundesfinanzhof, Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Bundespatentgericht, Deutschen Patent- und Markenamt, Bundesamt für Justiz oder dem mit der Führung des Unternehmensregisters i.S.d. § 8b HGB Beliehenen entstehen, werden gemäß § 2 Abs. 2 JBeitrG vom Bundesamt für Justiz vollstreckt.
Abnahme der Vermögensauskunft als Ausgangspunkt
Die Abnahme der Vermögensauskunft beantragt die Vollstreckungsbehörde gemäß § 7 S. 1 JBeitrG bei dem zuständigen GV; dieser Antrag ersetzt gemäß § 7 S. 2 JBeitrG den vollstreckbaren Schuldtitel. Die Vorschrift erfasst auch den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft (vgl. BGH DGVZ 2015, 146; BGH WM 2023, 1271) sowie den im Streitfall gestellten Antrag auf Verhaftung des Schuldners oder – bei juristischen Personen – des gesetzlichen Vertreters des Schuldners (zur Erforderlichkeit eines solchen Antrags vgl. MüKo-ZPO/Forbriger, 6. Aufl., § 802g Rn 13; Voit, in: Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl., § 802g Rn 14, jeweils m.w.N.; BeckOK-ZPO/Fleck, 50. Edition [Stand 1.9.2023], § 802g Rn 20; Würdinger, in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 802g Rn 39; Walker/Vuia, in: Schuschke/Walker/Kessen/Thole, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 7. Aufl., § 802g ZPO Rn 25; Sternal, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., § 802g ZPO Rn 18).
BfJ kann Anträge elektronisch einreichen
Nach § 6 Abs. 1 S. 1 JBeitrG, § 753 Abs. 4 S. 1 und 2 ZPO können schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien als elektronisches Dokument beim GV eingereicht werden. Für das elektronische Dokument gelten § 130a ZPO, auf dieser Grundlage erlassene Rechtsverordnungen sowie § 298 ZPO entsprechend. § 130a Abs. 3 S. 1 ZPO bestimmt, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Sign...