Einkommen: Naturalleistungen und Mehrfachbeschäftigung
Nicht immer wird das Arbeitseinkommen vom Arbeitgeber nur in Geld entrichtet und nicht immer hat ein Schuldner lediglich ein Arbeitseinkommen. Vielmehr kann sich der Gläubiger der Situation gegenüber sehen, dass der Schuldner neben seinem Arbeitseinkommen in Geld noch Naturalleistungen des Arbeitgebers erhält. Waren es früher Kost und Logis, sind es heute Dienstwagen, Handy oder Laptop. Das Entscheidende: Diese Leistungen können auch privat genutzt werden.
Außerdem gehen Schuldner manchmal auch mehr als nur einer Erwerbstätigkeit nach, haben also eine Haupt- und eine geringfügige Nebentätigkeit oder zwei oder mehr Teilzeitjobs. Werden die Einkommen jeweils für sich isoliert betrachtet, liegen sie jeweils unterhalb der Pfändungsfreigrenze. Ein pfändbarer Betrag ergibt sich dann nicht. Das gilt umso mehr, als die Pfändungsfreigrenzen zuletzt alle zwei Jahre gestiegen sind.
Der Gläubiger hat Handlungsoptionen
Mit einem Antrag nach § 850e ZPO kann der Gläubiger dem entgegenwirken. Der Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO soll dem Schuldner seine wirtschaftliche und soziale Existenz sichern und zugleich ein gewisses Maß an Arbeitsmotivation bieten. Es ist deshalb gerechtfertigt, dem Pfändungsfreibetrag das Arbeitseinkommen in seiner Gesamtheit gegenüberzustellen. Dem trägt § 850e ZPO Rechnung, der aufzeigt, wie sich das nach § 850c ZPO maßgebliche Nettoeinkommen berechnet. Danach werden verschiedene Bestandteile des Einkommens wie auch mehrere Einkommen auf Antrag des Gläubigers zusammengerechnet.
Hinweis
Die Zusammenrechnung kommt allerdings nur bei mehreren unselbstständigen Arbeitseinkommen des Schuldners in Betracht. Eine Anwendung von § 850e Nr. 2 ZPO bei gleichzeitigem Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit (LG Hannover JurBüro 1990, 1059), eine Zusammenrechnung mit regelmäßigen sonstigen Einkünften (Zinsen, Mieteinnahmen, OLG Frankfurt JurBüro 1991, 723; Grunsky, ZIP 1983, 908), mit Trinkgeldern (LG Regensburg JurBüro 1995, 218) oder mit Einkünften des Ehegatten findet dagegen nicht statt. Eigenes Einkommen des Ehegatten kann nur dazu führen, dass er nicht als Unterhaltsberechtigter zu berücksichtigen ist (§ 850c Abs. 4; vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 850e ZPO Rn 3)
Der Freibetrag wird bei mehreren Einkommen dann nach § 850e Nr. 2 S. 2 ZPO in erster Linie dem Einkommen entnommen, das die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Schuldners bildet.
Hinweis
Dabei wird zugleich das praktische Problem gelöst, wer den pfändbaren Betrag tatsächlich berechnet und den Überschuss auszahlt. Während ein Arbeitgeber diesen Aufwand tragen muss, sind alle anderen Drittschuldner diesem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet, zeitnah den von ihnen errechneten und ausgezahlten Nettolohn mitzuteilen. Der damit verbundene Aufwand kann es für den Arbeitgeber attraktiv erscheinen lassen, dem Schuldner ein Arbeitgeberdarlehn zu geben, das der Schuldner dann monatlich abträgt. Das ist weit weniger Aufwand als die monatliche Berechnung. Hierauf sollte man den Arbeitgeber aktiv ansprechen.
Nur wer einen Antrag stellt profitiert!
Der Antrag nach § 850e ZPO bietet einen weiteren Vorteil: Er ist nicht für den erstrangigen Gläubiger attraktiv, sondern in besonderer Weise auch für nachrangige Gläubiger. Der Zusammenrechnungsbeschluss wirkt nämlich nur für den Gläubiger, der die Zusammenrechnung auch beantragt hat (BAG NJW 1997, 479; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 850e Rn 11; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn 1140). Gibt sich also der erstrangige Gläubiger mit der negativen Drittschuldnerauskunft zufrieden und stellt keine weiteren Ermittlungen an, während der nachrangige Gläubiger sich rühriger und dabei erfolgreicher zeigt, profitiert nur dieser.
Hinweis
Nichts anderes gilt, wenn der vorrangige Gläubiger einen Teilbetrag erhält, sich durch die Zusammenrechnung aber ein insgesamt höherer Betrag ergibt. Der nachrangige Gläubiger erhält dann die Differenz.
Beispiel
Der alleinstehende Schuldner hat ein Nettoeinkommen bei seinem Hauptarbeitgeber von 1.200 EUR, so dass sich für den erstrangigen Gläubiger ein pfändbarer Betrag von 46,34 EUR ergibt. Der nachrangige Gläubiger ermittelt allerdings, dass der Schuldner noch einen Minijob hat und hier 433,20 EUR monatlich als Nettoeinkommen erzielt. Der nachrangige Gläubiger pfändet auch dieses Arbeitseinkommen und stellt einen Zusammenrechnungsantrag. Da der erstrangige Gläubiger an dem Verfahren nicht beteiligt ist, wird er auch nicht angehört und erlangt keine Kenntnis von dem Antrag und der Entscheidung. Aufgrund der Zusammenrechnung von 1.200 EUR + 433,20 EUR ergibt sich ein Gesamtnettoeinkommen von 1.633,20 EUR und damit ein pfändbarer Betrag von 347,34 EUR. Der erstrangige Gläubiger erhält nun weiter 46,34 EUR, während der nachrangige Gläubiger stolze 301,00 EUR (347,34 EUR – 46,34 EUR) pfänden kann. Die Recherche hat sich also richtig rentiert.
Antrag kann jederzeit gestellt werden
Der Antrag auf die Zusammenrechnung verschiede...