Im Oktober ist Weihnachten – vermeintlich – natürlich noch weit entfernt. Vollstreckungsrechtlich ist Weihnachten schon sehr nahe.
Unpfändbare Weihnachtsvergütungen
Nach § 850a Nr. 4 ZPO sind Weihnachtsvergütungen bis zur Hälfte des Betrags, dessen Höhe sich nach Aufrundung des monatlichen Freibetrags nach § 850c Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 auf den nächsten vollen 10-Euro-Betrag ergibt, unpfändbar. Der Gesetzgeber hat hier aus sozialen Gründen einen besonderen Pfändungsschutz geschaffen.
Hinweis
Die Vorschrift wurde zum 1.1.2022 geändert. Bis dahin waren Weihnachtsvergütungen bis zum Betrag der Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens aber bis zum Betrag von 500 EUR pfändbar. Der Höchstbetrag der unpfändbaren Weihnachtsvergütung ist in der Neuregelung dynamisiert. Zugleich ist er damit aber auch von 500 EUR auf 705 EUR gestiegen (1.402,28 EUR gerundet auf 1.410 EUR; davon die Hälfte).
Das wirft die Frage auf, was unter dem Begriff der "Weihnachtsvergütungen" zu verstehen ist, da Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer inzwischen eine Vielzahl von Sonderzahlungen erhalten. Denken wir an das Ende des letzten Jahres zurück, erinnern wir uns an die Energiepauschale, die Inflationsausgleichspauschale oder auch die Heizkostenpauschale.
Was versteht man unter "Weihnachtsvergütung"?
Die Rechtsprechung verlangt zunächst, dass die Zahlung "aus Anlass des Weihnachtsfestes" erfolgen muss, ohne dass es erforderlich ist, dass diese ausdrücklich als Weihnachtsvergütung bezeichnet wird (BAG NZA 2016, 840; BAG NZA 2012, 1246). Mit den in § 850a ZPO aufgeführten Zahlungen wird überwiegend ein bestimmter Aufwand des Arbeitnehmers ausgeglichen. Nur eine typischerweise zur Deckung des erhöhten Aufwands zu Weihnachten geleistete Zuwendung kann deshalb nach Maßgabe von § 850a Nr. 4 ZPO der Pfändung entzogen sein (BAG NZA 2012, 1246).
Da es sich um eine "Vergütung" zu Weihnachten handelt, fallen darunter auch Sondervergütungen für erbrachte Arbeitsleistungen wie Abschluss- und Jahresprämien oder das sogenannte 13. Monatsgehalt.
Letztlich liegt in der Verbindung der beiden Kriterien, d.h. der Sonderzahlung für erbrachte Dienste, die gerade aus Anlass des Weihnachtsfestes erbracht wird, die Zweckrichtung des Pfändungsschutzes. Das Bundesarbeitsgericht spricht deshalb auch von der "anlassbezogenen Sonderzahlung".
Zeitpunkt als Indiz
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Weihnachtsvergütungen anlässlich des Weihnachtsfestes in der Zeit vom 15. November des Jahres bis zum 15. Januar des Folgejahres gezahlt werden. Insoweit kann die zeitliche Nähe zum Weihnachtsfest ein (schwaches) Indiz für den Zahlungsanlass sein, was ohne weitere Anhaltspunkte für sich allein aber nicht genügt (Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 850a Rn 6).
Hinweis
Erfolgt eine monatliche Zahlung über das gesamte Jahr, die lediglich als Weihnachtsvergütung bezeichnet wird, ist kein Pfändungsschutz nach § 850a Nr. 4 ZPO zu begründen, da sich schon aus den Zahlungszeitpunkten ergibt, dass nicht der Mehraufwand anlässlich des Weihnachtsgeschäftes abgegolten werden soll (Thomas/Putzo, ZPO, § 850a Rn 5; Kreutzkam, JurBüro 2009, 60).
Umstritten ist, welche Relevanz es hat, ob auf die Weihnachtsvergütung ein vertraglicher Anspruch besteht (dies erachtet Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 850a Rn 6 für erforderlich) oder ob der Arbeitgeber diese Leistung freiwillig zusagt, was dann vom Arbeitnehmer angenommen wird (BAGE 64, 1690; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 850a Rn 11). Da nur Ansprüche unpfändbar sein können, muss allerdings zumindest im Zahlungszeitpunkt ein Recht begründet sein. Dass der Arbeitgeber allein ausschließt, zur Zahlung in Zukunft nicht (erneut) verpflichtet zu sein, schließt aber die Annahme eines Anspruchs bzw. Rechtes nicht aus.
Jahressonderzahlungen sind keine Weihnachtsvergütung
Die Jahressonderzahlung nach § 20 TVöD (VKA) wird vom Bundesarbeitsgericht nicht als "Weihnachtsvergütung" i.S.v. § 850a Nr. 4 ZPO angesehen. Nach § 20 Abs. 1 TVöD haben Beschäftigte, die am 1.12. im Arbeitsverhältnis stehen, Anspruch auf eine Jahressonderzahlung. Die Höhe liegt zwischen 60 und 90 % des durchschnittlich in den Monaten Juli bis September gezahlten Regelarbeitseinkommens. Aus der Struktur der Gewährung in der Jahressonderzahlung leitet das Bundesarbeitsgericht ab, dass es sich um eine Leistung handelt, die für das gesamte Kalenderjahr erbracht wird und auf die Arbeitsleistung innerhalb des Jahres und damit gerade nicht auf das Weihnachtsfest referenziert (BAG JurBüro 2017, 156).
Hinweis
Das hat allerdings das BVerwG (17.5.2018 – 2 C 49.17.0) für das Berliner Sonderzahlungsgesetz (SZG – GVBl 2008, 271) anders gesehen, seine Entscheidung aber auch ausdrücklich auf diese Regelung begrenzt (a.a.O. Rn 12). Das Berliner SZG bringe in seiner Begründung gerade (auch) zum Ausdruck, dass auch der Mehraufwand anlässlich des Weihnachtsfestes berücksichtigt wird. Wichtig ist aber auch hier, dass das BVerwG von den gleichen Rechtsgrundsätzen wie das ...