Leitsatz
Verstößt eine der größten europäischen Fluggesellschaften mit ihren Beförderungsbedingungen für die Dauer von ca. sechs Wochen zumindest grob fahrlässig in kerngleicher Weise gegen einen Unterlassungstitel, kann ein Ordnungsgeld von (insgesamt) 50.000 EUR gerechtfertigt sein.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 14.5.2024 – 6 W 48/24
1 Der Fall
Unterlassungstitel gegen Allgemeine Geschäftsbedingungen
Der Gläubiger, eine Wettbewerbszentrale, begehrt die Verhängung eines Ordnungsmittels gegen die Schuldnerin, eine große Fluggesellschaft. Das LG hatte diese unter Androhung konkret benannter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Geschäftsbedingungen bei Luftbeförderungsverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich verschiedener Klauseln zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klausel zu berufen:
Der Verurteilung lagen zwei verschiedene Fassungen der Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB) der Schuldnerin zugrunde (die Fassung gemäß Ziffer 1 a) bis c) wurde in die Fassung gemäß Ziffer 2 a), b) geändert). Den Streitwert hat das LG auf 125.000 EUR festgesetzt. Dabei ist es ausweislich der Sicherheitsleistungen für eine vorläufige Vollstreckung von einem Wert von 25.000 EUR pro Klausel ausgegangen.
Schuldnerin verwendet ähnliche Klauseln
Gegenstand des streitgegenständlichen Ordnungsmittelverfahrens ist die Verwendung ähnlicher Klauseln. Nach (unwidersprochener) und nach Aktenlage auch zutreffender Behauptung der Schuldnerin hat diese die streitgegenständlichen Klauseln – noch in Unkenntnis des Ordnungsmittelantrags – geändert.
Der Gläubiger hat die Auffassung vertreten, die Schuldnerin habe durch nahezu wort-, jedenfalls inhaltsgleiche Beibehaltung der gegenständlichen beiden Klauseln vorsätzlich, zumindest aber fahrlässig gegen den Unterlassungstitel verstoßen. Die Schuldnerin habe durch ihr Verhalten zu erkennen gegeben, dass ihr die Verbote gleichgültig seien, weshalb gegen sie ein (sehr) empfindliches Ordnungsgeld zu verhängen sei, dessen Höhe der Gläubiger in das Ermessen des Gerichts gestellt hat.
Schuldnerin bestreitet Kerngleichheit zum Unterlassungsgebot
Die Schuldnerin hat die Ansicht vertreten, die geänderten Klauseln seien nicht kerngleich, da sie in Zusammenhang mit den übrigen Klauseln zu sehen seien. Unter Berücksichtigung der beidseitigen Interessen habe eine neue Bewertung in einem Erkenntnisverfahren zu erfolgen. Von einer vorsätzlichen Nichtbefolgung des landgerichtlichen Urteils sei angesichts der bereits kurze Zeit nach Rechtskraft des Urteils grundlegend überholten ABB nicht auszugehen.
LG setzt Ordnungsgeld von 50.000 EUR fest
Das LG hat gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 EUR, ersatzweise einen Tag Ordnungshaft je 25.000 EUR, verhängt. Auf die gegen Grund und Höhe dieser Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das LG in seinem Nichtabhilfebeschluss ausgeführt, es habe bei der Bemessung des Ordnungsgeldes insbesondere berücksichtigt, dass die Bedingungen nur relativ kurze Zeit online gewesen seien. Gleichwohl handele es sich um einen besonders plumpen, jedenfalls grob fahrlässigen, von der Schuldnerin aus wirtschaftlichen Gründen begangenen Verstoß, der offenbar darauf abgezielt habe, Verbraucher von der Geltendmachung ihrer Fluggastrechte abzuhalten.
2 II. Die Entscheidung
Formalien sind erfüllt
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, insbesondere hat das LG dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung des rechtskräftigen Urteils erteilt (§§ 704, 724 ZPO).
Der Verurteilung ist eine Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel (Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise/oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, § 890 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 ZPO) im landgerichtlichen Urteil vorausgegangen.
OLG sieht Unterlassungsgebot verletzt
Nach zutreffender Auffassung des LG hat die Schuldnerin dem Unterlassungstitel schuldhaft, nämlich zumindest grob fahrlässig, zuwidergehandelt.
Die dem Wortlaut nach nahezu unverändert und ihrem Sinngehalt nach identisch beibehaltenen streitgegenständlichen Klauseln unterfallen den titulierten Klauselverboten. Dies gilt schon deshalb, weil die Schuldnerin nicht nur zur Unterlassung einer wörtlichen, sondern auch einer inhaltsgleichen Verwendung dieser Klauseln verurteilt worden ist. Angesichts der "und/oder"-Verknüpfung der einzelnen Klauselverbote sind diese unabhängig voneinander und zudem ohne Bezugnahme auf konkrete Verletzungsformen ergangen. Aufgrund dieser "Schlechthinverbote" kommt es auf den Kontext der streitgegenständlichen Klauseln nicht an, zumal dieser sich nach zutreffender Auffassung des LG nicht entscheidungserheblich geändert hat.
Plumper Verstoß
Trotz der unmissverständlichen landgerichtlichen Entscheidung hat die Schuldnerin ihre Beförderungsbedingungen knapp einen Monat nach Rechtskraft der streitgegenständlichen Klauselverbote ersichtlich bewusst nur unerheblich geändert, indem sie (u.a.) das Wort "X" durch "uns" bzw. "wir" ersetzt hat. Sie konnte dabei nicht...