Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe des Ordnungsmittels gegenüber einer juristischen Person
Leitsatz (amtlich)
Verstößt eine der größten europäischen Fluggesellschaften mit ihren Beförderungsbedingungenen für die Dauer von ca. sechs Wochen zumindest grob fahrlässig in kerngleicher Weise gegen einen Unterlassungstitel, kann ein Ordnungsgeld von (insgesamt) 50.000 EUR gerechtfertigt sein.
Normenkette
ZPO § 890
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 02.01.2024; Aktenzeichen 2-03 O 527/19) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 02.01.2024 (203 O 527/19) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Schuldnerin.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Gläubiger, die Wettbewerbszentrale, begehrt die Verhängung eines Ordnungsmittels gegen die Schuldnerin, eine große Fluggesellschaft.
Das Landgericht hat die Schuldnerin mit - durch Berufungsrücknahmen vom 16.02.2023 (GA 510) und, soweit hier maßgeblich, 15.03.2023 (GA 517) rechtskräftigem - Urteil vom 25.11.2021 unter Androhung konkret benannter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen
im geschäftlichen Verkehr in Geschäftsbedingungen bei Luftbeförderungsverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Klauseln zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klausel zu berufen:
1. a) 15.2.2 Der Fluggast hat Ansprüche unmittelbar gegenüber X geltend zu machen. Er hat X eine Frist von 28 Tagen oder eine Frist, die nach dem jeweils anzuwendenden Recht vorgesehen ist (je nachdem, welche Frist kürzer ist), zu gewähren, so dass X auf diese Ansprüche reagieren kann. Erst nach Ablauf dieser Frist ist es dem Fluggast gestattet, Dritte mit der Geltendmachung der Ansprüche zu beauftragen. Ansprüche können hier geltend gemacht werden
und/oder
b) 15.2.3 Ansprüche, die von Dritten geltend gemacht werden, bearbeitet X nicht, wenn - wie in Artikel 15.2.2 vorgesehen - der Betroffene Fluggast seiner Ansprüche nicht unmittelbar gegenüber X geltend macht und X nicht die Frist zur Reaktion gewährt hat.
und/oder
c) 15.4. die Abtretung von Ausgleichs-, Schadensersatz- und Rückerstattungsansprüchen gegen uns ist ausschließlich an natürliche Person zulässig, die in Ihrer Flugbuchung als weitere Fluggäste mit aufgeführt sind, oder, falls Sie Teilnehmer einer Reisegruppe sind, an andere Fluggäste dieser Reisegruppe, sowie bei minderjährigen und geschäftsunfähigen Fluggästen an ihre gesetzlichen Vertreter. Im Übrigen ist die Abtretung von Ausgleichs-, Schadensersatz- und Rückerstattungsansprüchen gegen uns an Dritte ausgeschlossen.
und/oder
2. a) 15.2.2 Der Fluggast macht Ansprüche unmittelbar gegenüber X geltend und gewährt X eine Frist von 14 Tagen oder eine Frist, die nach dem jeweils anzuwendenden Recht vorgesehen ist (je nachdem, welche Frist kürzer ist), die es X ermöglicht, unmittelbar gegenüber dem Fluggast zu reagieren, bevor dieser Dritte beauftragt, um in dessen Namen seine Ansprüche geltend zu machen. Ansprüche können hier geltend gemacht werden. Sollte X in der angegebenen Frist nicht antworten oder der Fluggast mit der Antwort von X nicht zufrieden sein, kann der Fluggast Dritte beauftragen, Zahlungen in dessen Namen zu verlangen und entgegenzunehmen.
und/oder
b) 5.2.3 um Kunden zu schützen und eine gute Beziehung zu ihnen aufrechtzuerhalten, wird X in Fällen, in denen der Passagier Paragraph 15.2.2 nicht eingehalten hat, Ansprüche von Dritten bearbeiten, wenn die Forderung Angaben zu den Kontaktdaten und der Zahlung des Passagiers beinhalten, damit X die Zahlung direkt an den Passagier leisten kann.
Dieser Verurteilung liegen zwei verschiedene Fassungen der Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB) der Schuldnerin zugrunde (die Fassung gemäß Ziffer 1 a) bis c) wurde in die Fassung gemäß Ziffer 2 a), b) geändert). Den Streitwert hat das Landgericht auf 125.000 Euro festgesetzt (GA 357a). Dabei ist es ausweislich der Sicherheitsleistungen für eine vorläufige Vollstreckung (GA 349) von einem Wert von 25.000 Euro pro Klausel ausgegangen.
Gegenstand des streitgegenständlichen Ordnungsmittelverfahrens sind die nachfolgend wiedergegebenen, durch Fettdruck hervorgehobenen Ziffern 15.2.2 und 15.2.3 des (Unter-)Artikels 15.2 ("Ausgleichsansprüche auf Grundlage der Fluggastrechteverordnung (Verordnung [EG] Nr. 261/2004)"), der ab dem 13.04.2023 geltenden ABB der Schuldnerin (Anlage ASt4, G.542 ff.). Diese waren (u.a.) am 25.04.2023 auf ihrer in deutscher Sprache abrufbaren Internetseite www.(...).com abrufbar. Dabei meint "wir", "uns" und "unser" nach der Definition in Art. 1 ABB "die Firma X mit Hauptgeschäftssitz C, ..., Stadt1 Land1":
"15.2.1 Die Bestimmungen dieses Artikels finden Anwendung auf Ausgleichsansprüche auf Der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Entsprechend der Empfehlung der Europäischen Kommission sollte der Fluggast stets seinen Ausgleichsanspruch dire...