Leitsatz
Die Erbausschlagungserklärung kann vor dem AG – Nachlassgericht – am Wohnsitz des Ausschlagenden abgegeben werden, ist dann aber im Original an das für den Erblasser zuständige Nachgericht weiterzuleiten, welches die Erklärung aufzubewahren hat.
Hans. OLG Hamburg, 5.3.2010 – 2 AR 10/09
I. Der Fall
Streit um die Zuständigkeit über die Aufbewahrung
Der nach der gesetzlichen Erbfolge Berufene hat das Erbe zu Protokoll des Nachlassgerichtes an seinem Wohnort ausgeschlagen. Nachfolgend hat sich sowohl dieses Amtsgericht als auch das Amtsgericht – Nachlassgericht – am letzten Wohnsitz des Erblassers für die Aufbewahrung der Erbausschlagungserklärung für unzulässig erklärt. Das Hanseatische OLG Hamburg hatte den Zuständigkeitsstreit nach § 36 Nr. 6 ZPO zu entscheiden.
II. Die Entscheidung
Nachlassgericht am letzten Wohnort des Erblassers ist zuständig
Für die Annahme und Aufbewahrung des Originals der Erbausschlagungserklärung ist das Amtsgericht – Nachlassgericht – am letzten Wohnsitz des Erblassers zuständig. Gem. § 344 Abs. 7 S. 2 FamFG ist die Niederschrift über die Erklärung von dem Gericht, in dessen Bezirk der Ausschlagende seinen Wohnsitz hat, an das zuständige Nachlassgericht zu übersenden. Dabei nimmt § 344 Abs. 7 FamFG Bezug auf die Regelung in § 1945 Abs. 1 BGB, wonach die Ausschlagungserklärung entweder zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben ist. Erklärungen in öffentlich beglaubigter Form sind im Original zu übersenden (Palandt-Edenhofer, BGB, 69. Aufl., Rn 3). Dies gilt entsprechend für Niederschriften, die nicht durch das Nachlassgericht am Wohnsitz des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes aufgenommen werden.
Keine abweichende gesetzliche Regelung
Es gibt keine gesetzliche Regelung dahingehend, dass nur eine Ausfertigung der Niederschrift über die Erklärung des Erblassers an das Gericht des letzten Wohnsitzes des Erblassers gelangen, das Original dieser Niederschrift aber bei dem Gericht am Wohnsitz des Ausschlagenden bleiben soll. Dass eine derartiger Handhabung zu erfolgen hat, ist auch der Regelung der §§ 1 Abs. 2, 45 Abs. 1 BeurkG nicht zu entnehmen. Nach dem allgemeinen Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“ ist die Regelung in § 344 Abs. 7 S. 2 FamFG vorrangig zu berücksichtigen. Die Bestimmung des § 45 BeurkG betrifft nicht den vorliegenden Fall und ist mangels Vergleichbarkeit des in ihr geregelten und des hier vorliegenden Falles auf diesen auch nicht entsprechend anzuwenden (dazu im Einzelnen OLG Celle, Beschl. v. 16.2.2010, 6 AR 1/10).
Wichtig für den Gläubiger: Vollständige Nachlassakten
Durch die Übersendung des Originals wird gewährleistet, dass das Nachlassgericht am Wohnsitz des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes (§ 343 FamFG) trotz der erweiterten Zuständigkeitsregelung gem. § 344 Abs. 7 S. 1 FamFG eine vollständige Verfahrensakte führen kann. Es entspricht nicht dem Sinn und Zweck der erweiterten Zuständigkeitsregelung, dass die Originale der Ausschlagungserklärungen womöglich bei vielen verschiedenen Nachlassgerichten aufbewahrt werden. Die eingefügte Regelung soll die Rechtsunsicherheit beseitigen, die entstand, wenn Ausschlagungs- oder Anfechtungserklärungen von dem örtlich unzuständigen Nachlassgericht entgegengenommen wurden (BT-Drucks 16/6308, 390; BT-Drucks 16/9733, 130). Einige Nachlassgerichte hatten die Entgegennahme durch das örtlich unzuständige Nachlassgericht nicht anerkannt, wenn zuvor nicht ein ausdrückliches Ersuchen um Amtshilfe ergangen war (BT-Drucks 16/6308, 390). Folge war, dass unter Umständen eine neue Ausschlagungserklärung erfolgen musste und häufig zudem bereits der Ablauf der Ausschlagungs- und Anfechtungsfrist eingetreten war. Diese Problematik soll durch die erweiterte Zuständigkeitsregelung vermieden werden (dazu auch Keidel/Zimmermann, FamFG, § 344 Rn 44 ff.).
III. Der Praxistipp
Erbe haftet für Nachlassverbindlichkeiten
Verstirbt der Schuldner, geht dem Gläubiger nicht etwa jede Möglichkeit verloren, seine Forderung zu realisieren. Vielmehr haftet der Erbe nach §§ 1922, 1967 BGB für die Verbindlichkeiten in vollem Umfange. Die Haftung erstreckt sich dabei nicht nur auf den Nachlass selbst, sondern grundsätzlich auch auf das Eigenvermögen des Erben. Der Gläubiger kann aus einer solchen Situation also ggf. sogar einen Vorteil ziehen.
Sehr zeitnah zum Erbfall kann der Gläubiger aber auch die Chance nutzen, unmittelbar in den Nachlass zu vollstrecken, § 779 ZPO. Voraussetzung ist allein, dass er irgendwann einmal die Zwangsvollstreckung mit irgendeiner Vollstreckungsart begonnen hat. Befinden sich etwa der Pkw und wertvolle Elektrogeräte (Flachbildfernseher, Computer, Laptop, Spielekonsolen, Hifi-Anlage etc.) in der bisherigen Wohnung des Schuldners und Erblassers, kann hierauf uneingeschränkt zurückgegriffen werden, da der Pfändungsschutz nach § 811 Nr. 1 und 5 ZPO nicht mehr greift.
Ausschlagung als Mittel der Haftungsvermeidung
Angesichts seiner Haftung für die Verbindlichkeiten des Verstorbenen wird der Erbe natürlich versuchen, seine Haftung zu bes...