Anspruch auf Arbeitsentgelt ist Gutschriftanspruch
Schon der Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts ist unrichtig. Der Anspruch eines Strafgefangenen auf Arbeitsentgelt ist insgesamt unpfändbar und unterfällt daher nicht dem Insolvenzbeschlag (§ 36 Abs. 1 InsO, § 851 Abs. 1 ZPO, § 399 BGB), ohne dass es einer Schutzanordnung des Vollstreckungsgerichts bedürfte. Denn der Anspruch des Strafgefangenen ist auf Gutschrift und nicht auf Barauszahlung gerichtet. Durch die Gutschrift des Arbeitsentgelts auf dem Hausgeldkonto (drei Siebtel) und dem Eigengeldkonto (vier Siebtel) ist der Anspruch des Strafgefangenen gegen den Träger der Haftanstalt erloschen, § 362 Abs. 1 BGB analog.
Nach Gutschrift kein Arbeitsentgelt mehr
Der Anspruch auf Auszahlung des gutgeschriebenen Eigengeldes kann demgegenüber grundsätzlich nach § 829 ZPO gepfändet werden und unterliegt deswegen dem Insolvenzbeschlag des § 35 Abs. 1 InsO, sofern das nach § 52 Abs. 1 JVollzGB BW III aus den Bezügen des Strafgefangenen zu bildende Überbrückungsgeld angespart ist.
Kein Pfändungsverbot nach § 851 ZPO
Das Pfändungsverbot des § 851 ZPO steht nicht entgegen, weil der Anspruch – soweit nicht § 52 Abs. 4 JVollzGB BW III, § 51 Abs. 4 StVollzG eingreift – übertragbar ist. Soweit das Eigengeld durch Gutschriften von Arbeitsentgelt gebildet worden ist, das der arbeitspflichtige Strafgefangene für die Ausübung der ihm zugewiesenen Arbeit erhält, finden die Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung. Dies hat der BGH für das Strafvollzugsgesetz des Bundes bereits entschieden (BGH NJW 2004, 3714 = InVo 2005, 16).
Entscheidung für den Bund gilt auch in den Ländern
Nichts anderes gilt für die seit dem 1.1.2010 in Baden-Württemberg geltende Gesetzeslage unter dem Justizvollzugsgesetzbuch Baden-Württemberg. Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006 (BGBl I 2006, S. 2034; Föderalismusreformgesetz 2006) wurde der Strafvollzug der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes (Art. 72 GG) entzogen und der Kompetenz der Ländergesetzgebung (Art. 70 Abs. 1 GG) zugeordnet. Danach sind die Länder befugt, eigene Strafvollzugsgesetze zu erlassen. Von dieser Befugnis hat das Land Baden-Württemberg zum 1.1.2010 durch das Justizvollzugsgesetzbuch Gebrauch gemacht. Der Strafvollzug und der Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln sind in Buch III geregelt. Dort wird auf Regelungen des Strafvollzugsgesetzes zurückgegriffen. Insbesondere die Regelungen zum Arbeitsentgelt (§ 49 JVollzGB BW III), zum Haus-, Überbrückungs- und Eigengeld (§§ 52, 53, 63 JVollzGB BW III) stimmen mit den entsprechenden Regelungen des Strafvollzugsgesetzes des Bundes im Wesentlichen überein.
Kein Problem bei der Gesetzgebungskompetenz
Der Anspruch eines baden-württembergischen Strafgefangenen gegen den Träger der Justizvollzugsanstalt auf Auszahlung seines Eigengeldguthabens nach § 829 ZPO ist daher pfändbar, soweit er nicht in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem zu bildenden Überbrückungsgeld und dem tatsächlich vorhandenen Überbrückungsgeld nach § 52 Abs. 4 Satz 2 JVollzGB BW III unpfändbar ist. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung aus Gründen der Gesetzgebungskompetenz bestehen nicht. Denn das Land hat an dieser Stelle nicht die Bundeskompetenz für das Zwangsvollstreckungsrecht in Anspruch genommen, sondern den öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch inhaltlich ausgestaltet, der nach der Föderalismusreform seiner eigenen Gesetzgebungskompetenz unterliegt.
§ 850c ZPO gilt unmittelbar nicht …
Auf das pfändbare Eigengeld finden die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO unmittelbar keine Anwendung. Diese gelten nur für die Pfändung des in Geld zahlbaren Arbeitseinkommens selbst (§ 850 Abs. 1 ZPO). Bei dem Strafgefangenen kann hingegen nur sein Anspruch auf Auszahlung seines Eigengeldes gepfändet werden, nicht aber sein Anspruch auf Gutschrift des Arbeitsentgelts. Der Pfändungsschutz des § 850c ZPO erstreckt sich nicht auf das zur Bewirkung der geschuldeten Leistung ausbezahlte oder auf ein Konto überwiesene Geld. Vielmehr erlischt mit der als Arbeitseinkommen geschuldeten Forderung auch der bis dahin für diese Forderung bestehende Pfändungsschutz.
… und auch nicht entsprechend!
Eine entsprechende Anwendung des § 850c ZPO auf den Anspruch des Strafgefangenen auf Auszahlung des Eigengeldes scheidet aus. Das Schutzbedürfnis eines SU, der in Freiheit lebt und ein Arbeitseinkommen hat, ist mit dem eines SU, der in Strafhaft Arbeitsentgelt bezieht, nicht vergleichbar. Aus sozialen Gründen und im öffentlichen Interesse wird dem in Freiheit lebenden SU, in dessen Arbeitseinkommen vollstreckt wird, in den Grenzen der §§ 850c, 850k ZPO ein Teil seines Einkommens pfandfrei belassen. Den Maßstab für die Bemessung der für die Existenz des SU und für den Erhalt seiner Arbeitsfähigkeit erforderlichen Mittel bilden die Bedürfnisse eines in Freiheit lebenden und arbeitenden Menschen. Die Arbeit eines Strafgefangenen wird nach dem Mischkonzept des § 49 Abs. 1 JVollzGB BW ...