Leitsatz
Möchte der Schuldner einen über den Freibetrag nach § 850k Abs. 1 ZPO hinausgehenden Pfändungsfreibetrag bei einem wechselnden pfändungsfreien Arbeitseinkommen freigestellt wissen, muss er dem Kreditinstitut monatlich eine aktuelle Lohnbescheinigung vorlegen.
AG Memmingen, 17.2.2016 – 50 M 1726/13
1 I. Der Fall
Keine Bankbescheinigung für schwankendes pfändbares Arbeitseinkommen
Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung und hat sowohl dessen Arbeitseinkommen als auch dessen Bankguthaben gepfändet. Der Arbeitgeber überweist dem Gläubiger die nach § 850c ZPO pfändbaren Beträge. Die schwankenden unpfändbaren Beträge, die den Freibetrag nach §§ 850k Abs. 1, 850c Abs. 1 S. 1 ZPO übersteigen, möchte der Schuldner nunmehr auf dem P-Konto ebenfalls pfändungsfrei gestellt wissen und hat deshalb das Vollstreckungsgericht angerufen. Sein Problem: Er kann nicht jeden Monat eine angepasste Bankbescheinigung vorlegen.
2 II. Die Entscheidung
AG stellt unpfändbare Beträge "pauschal" frei
Die auf dem betroffenen P-Konto eingehenden Lohneinkünfte des Schuldners werden von der bestehenden Kontopfändung insoweit freigegeben, als es sich hierbei um bereits durch den Arbeitgeber festgestellte pfandfreie Einkünfte gemäß § 850 ff. ZPO handelt.
Vorlage der Lohnabrechnung genügt
Der Schuldner hat zu diesem Zweck allmonatlich seiner Bank den aktuellen Pfandfreibetrag und den Fortbestand der Lohnpfändung durch Vorlage der aktuellen Lohnbescheinigung seines Arbeitgebers nachzuweisen.
Lohnberechnung des Arbeitgebers soll maßgeblich sein
Laut der vorgelegten Lohnbescheinigung besteht beim Arbeitgeber des Schuldners bereits eine Lohnpfändung, sodass nur die gemäß § 850 ff. ZPO bereits als pfandfrei festgestellten Lohnanteile dem P-Konto gutgeschrieben werden. Die Höhe dieser Beträge wechselt jeden Monat, sodass theoretisch jeden Monat eine neue P-Konten-Bescheinigung auszustellen wäre.
Der Bundesgerichtshof hat hierzu mit Beschl. v. 10.11.2011 (VII ZB 64/10) festgestellt, dass es weder dem Schuldner noch dem Vollstreckungsgericht zuzumuten ist, jeden Monat einen neuen Antrag nach § 850k Abs. 4 ZPO zu stellen bzw. zu erlassen. Es genügt vielmehr für die Freigabe eines Betrages, der über den sockelfreien Grundbetrag hinausgeht, hinsichtlich der Freibeträge die Bezugnahme auf die durch den Arbeitgeber bereits festgestellten Freibeträge. Die Identität der pfandfrei festgestellten Lohnbeträge mit dem Lohn-Gutschriftsbetrag auf dem Kontoauszug ist durch das Bankinstitut unproblematisch festzustellen. Eine nochmalige Betragsbenennung seitens des Gerichtes ist damit nicht erforderlich.
3 Der Praxistipp
Schwankende Einkommen sind häufig
Viele Schuldner verfügen über schwankendes Arbeitseinkommen. Das ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass der Pfändungsfreibetrag immer gleich bleibt und der überschießende Betrag stets dem Gläubiger zusteht. Vielmehr kann auch der unpfändbare Betrag schwanken.
Beispiel
So sind nach einer aktuellen Entscheidung des BGH (FoVo 2016, 212, in diesem Heft) die Nachtschichtzuschläge nach § 850a Nr. 3 nicht pfändbar. Das Nettoeinkommen ist also um diese Beträge zu vermindern, dann ist der Pfändungsfreibetrag nach § 850c ZPO zu bestimmen. Die danach unpfändbaren Bezüge sind dem Schuldner zuzüglich der zuvor abgezogenen Nachschichtzuschläge zu überweisen. Variiert die Höhe der Nachtschichtzuschläge, ändert sich auch der unpfändbare Betrag.
Nicht immer wird der Pfändungsschutz synchronisiert
Der Schuldner sollte deshalb grundsätzlich bestrebt sein, die pfändungsfreien Beträge bei der Lohnpfändung und auf seinem P-Konto zu synchronisieren. Die Praxis zeigt allerdings, dass nicht jeder Schuldner dies tatsächlich sieht und das Notwendige unternimmt:
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Entweder muss er eine Bankbescheinigung nach § 850k Abs. 5 ZPO beibringen, aus der sich der erhöhte Pfändungsfreibetrag ergibt. |
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Oder er muss einen Klarstellungsbeschluss des Vollstreckungsgerichtes beantragen, wenn – wie hier – der Erteilung der Bankbescheinigung Hindernisse entgegenstehen. |
Hinweis
All dies muss er natürlich nur veranlassen, wenn auch der Gläubiger sich sachgerecht verhalten und das P-Konto auch tatsächlich gepfändet hat. Immer wieder zeigt die Praxis, dass auf diese Pfändung – fälschlich – verzichtet wird. Die sich daraus ergebenden Pfändungsmöglichkeiten gehen dann durch ein fehlerhaftes oder verspätetes Vorgehen des Schuldners verloren.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Der Arbeitnehmer sollte nicht blind darauf vertrauen, dass die Bestimmung des pfandfreien Betrages durch den Arbeitgeber zutreffend ist. Deshalb sollte er seinerseits die Lohnabrechnung vom Drittschuldner (Arbeitgeber) herausverlangen. Darauf hat er einen Anspruch (BGH FoVo 2013, 56). Die Berechnung kann dann nachvollzogen und ggf. beanstandet werden.
Auch Kontoauszüge verlangen
Der Gläubiger, zu dessen Gunsten Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung von Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto gepfändet und überwiesen werden, kann nach dem BGH (FoVo 2013, 132) auch verlangen, dass die gemäß § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO bestehende Verpflich...