Leitsatz
1. Aus der Lohnsteuerklasse IV kann auf gleichhohe Einkünfte des Ehegatten des Schuldners geschlossen werden.
2. Dies rechtfertigt nach § 850c Abs. 4 ZPO die Nichtberücksichtigung des Ehegatten wie der Hälfte der gemeinsamen Kinder bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens.
LG Düsseldorf, Beschl. v. 16.3.2017 – 25 T 143/17
1 I. Der Fall
Nichtberücksichtigung Unterhaltsberechtigter
Die Gläubigerin hat das Arbeitseinkommen des Schuldners gepfändet und beantragt nunmehr die Nichtberücksichtigung der Ehefrau sowie der gemeinsamen Kinder zur Hälfte bei der Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens.
Information: Die Lohnabrechnung
Die Gehaltsabrechnung des Schuldners für September 2016 weise die Lohnsteuerklasse IV aus, welche darauf hinweise, dass die Ehefrau über Einkommen in vergleichbarer Höhe verfüge.
Das AG hat die Nichtberücksichtigung der Ehefrau angeordnet und den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Dagegen wendet sich allein der Gläubiger und begehrt weiterhin, auch die gemeinsamen Kinder zur Hälfte nicht zu berücksichtigen.
2 II. Die Entscheidung
LG Düsseldorf verweist die Sache zurück
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 793 ZPO) und führt in der Sache zur Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses und Rückgabe der Sache an das Amtsgericht.
Ab welcher Höhe ein eigenes Einkommen des Unterhaltsberechtigten seine Berücksichtigung bei der Bestimmung der Pfändungsfreibeträge aus Arbeitseinkommen des Unterhaltspflichtigen ausschließt, ist vom Gesetzgeber bewusst nicht im Einzelnen geregelt worden (BT-Drucks 8/693, S. 48 f.).
Alle Arten von Einkünften sind zu berücksichtigen
Gemäß § 850c Abs. 4 ZPO kann das Vollstreckungsgericht nach billigem Ermessen anordnen, dass eine nach dem Gesetz unterhaltsberechtigte Person, die eigene Einkünfte hat, bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt. Schon nach ihrem Wortlaut erfasst die Vorschrift alle Arten von Einkünften (BGH NJW-RR 2009, 1279). Sie will die Berücksichtigung des Berechtigten, der eigene Einkünfte bezieht, flexibel gestalten, wobei das Gericht in seine Erwägungen den Lebensbedarf einzubeziehen hat, der aus dem Arbeitseinkommen des Schuldners zu bestreiten ist (BT-Drucks 8/693, S. 48 f (zu Nr. 8)). Es ist zu prüfen, ob die eigenen Einkünfte des Unterhaltsberechtigten dazu führen, dass dem Schuldner insoweit kein eigenes Einkommen verbleiben muss, weil der Bedarf des Unterhaltsberechtigten anderweitig gedeckt ist (BGH ZVI 2005, 254, 255 f.; NJW-RR 2009, 1279). Deshalb sind Unterhaltszahlungen, die der Unterhaltsberechtigte vom anderen Elternteil oder Dritten bezieht, als eigene Einkünfte im Sinne von § 850c Abs. 4 ZPO zu berücksichtigen. Geld, welches der Unterhaltsberechtigte von dritter Seite bezieht, verringert seinen Bedarf und entlastet den zum Unterhalt verpflichteten Schuldner (BGH ZInsO 2015, 1101).
Bar- und Naturalunterhalt ist Einkommen
Gleiches gilt für Zuwendungen, die dem Unterhaltsberechtigten in Natur geleistet werden. Auch diese, etwa unentgeltliches Wohnen oder freie Kost, mindern die Unterhaltsverpflichtung des Schuldners (Hornung, Rpfleger 1978, 353, 356). Es besteht daher kein sachlicher Grund, zwischen der Art der Gewährung des Unterhalts zu unterscheiden (LG Ansbach JurBüro 2010, 50, 51). In Übereinstimmung mit der nahezu einhelligen Auffassung von Rechtsprechung und Schrifttum sind daher Einkünfte, die dem Unterhaltsberechtigten in Natur zufließen werden, zu den Einnahmen im Sinne von § 850c Abs. 4 ZPO zu zählen (BGH ZInsO 2015, 1101 m.w.N.).
Maßgeblich für die Höhe: Art des Unterhalts
Für die im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 850c Abs. 4 ZPO zu beantwortende Frage, welcher Lebensbedarf aus dem Arbeitseinkommen des Schuldners zu bestreiten ist (BGH ZVI 2005, 254, 255 f.; BGH WM 2009, 1153; BT-Drucks 8/693 S. 48 f. (zu Nr. 8)), ist bei Unterhaltsleistungen zwischen Betreuungsunterhalt einerseits und Bar- sowie Naturalunterhalt andererseits zu unterscheiden.
Der Betreuungsunterhalt umfasst die Betreuungsleistungen in Form von Versorgung, Erziehung, persönlicher Zuwendung und Haushaltsführung (Soyka, in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 9. Aufl., Vor §§ 1601 ff. Rn 3; Scholz, FamRZ 1994, 1314, 1315). Nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erfüllt der Elternteil eines minderjährigen unverheirateten Kindes, bei dem dieses lebt, seine Unterhaltsverpflichtung in der Regel durch dessen Pflege und Erziehung. Die Bestimmung stellt klar, dass diese Betreuungsleistung und die Barleistungen des anderen Elternteils grundsätzlich gleichwertig sind, und trägt der Tatsache Rechnung, dass eine auf den Einzelfall abstellende rechnerische Bewertung des Betreuungsaufwandes unzulänglich bliebe (BGH ZInsO 2015, 1101; BGH FamRZ 2006, 1597, 1598). Folge ist, dass der Elternteil, der das Kind betreut, dadurch regelmäßig seiner Unterhaltspflicht genügt. Für den Schuldner, der sein minderjähriges Kind nicht betreut, bedeutet dies, dass er mit seinem Arbeitseinkommen den vollen Barbedarf des Kindes bestreiten muss.
Hier: Fort...