BGH folgt den Ausgangsgerichten
Die gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2, § 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist in der Sache nicht begründet. Die Auffassung von AG und LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat den Antrag der Gläubigerin auf Erlass des PfÜB im vereinfachten Vollstreckungsverfahren gemäß § 829a ZPO zu Recht zurückgewiesen.
BGH: Inkassodienstleister können keinen elektronischen PfÜB-Antrag stellen
Die Möglichkeit des vereinfachten Vollstreckungsantrags bei Vollstreckungsbescheiden gemäß § 829a ZPO ist für einen Gläubiger, der sich durch einen Inkassodienstleister als Bevollmächtigten vertreten lässt, nicht eröffnet, weil gemäß §§ 80, 88 Abs. 2 ZPO die Vollmacht durch Einreichung der schriftlichen Vollmachtsurkunde zu den Gerichtsakten nachgewiesen werden muss und es sich bei der Vollmachtsurkunde um eine die Anwendung des § 829a ZPO ausschließende, vorlegungspflichtige "andere Urkunde" i.S.d. § 829a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO handelt.
Enge Voraussetzungen des elektronischen Antrages
Nach § 829a Abs. 1 S. 1 ZPO ist im Fall eines elektronischen Antrags zur Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid, der einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf, bei Pfändung und Überweisung einer Geldforderung (§§ 829, 835 ZPO) die Übermittlung der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 829a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 4 ZPO entbehrlich. Danach setzt der vereinfachte Vollstreckungsantrag bei Vollstreckungsbescheiden unter anderem voraus, dass die Vorlage anderer Urkunden als der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids nicht vorgeschrieben ist, § 829a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
Grundvoraussetzung: schriftliche Vollmacht
§ 80 ZPO bestimmt, dass der Nachweis der Vollmacht durch Einreichung der schriftlichen Vollmachtsurkunde zu den Gerichtsakten zu führen ist. Diese allgemeine Vorschrift gilt grundsätzlich auch im Vollstreckungsverfahren (vgl. Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl., Vor § 704 Rn 5), mithin auch bei der Beantragung eines PfÜB nach §§ 829, 835 ZPO gegenüber dem Vollstreckungsgericht.
Ausnahme: Rechtsanwalt
Tritt im Vollstreckungsverfahren nicht ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter auf, ist das Gericht gemäß § 88 Abs. 2 ZPO stets zu einer Prüfung der Vollmacht von Amts wegen verpflichtet.
Keine Ausnahme von der Prüfungspflicht
Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung (vgl. LG Meiningen, Beschl. v. 29.5.2019 – 5 T 95/19, zfm 2019, 235, juris Rn 6 f. mit zustimmender Anmerkung von Goebel, zfm 2019, 236; Stein/Jonas/Jacoby, ZPO, 23. Aufl., § 88 Rn 6) besteht diese Verpflichtung nicht nur dann, wenn Anhaltspunkte bestehen, die Zweifel am Vorliegen einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung rechtfertigen. Allerdings hat der BGH zu § 56 ZPO entschieden, dass das Gericht zu einer Überprüfung der dort genannten Prozessvoraussetzungen der Prozess- und Parteifähigkeit von Amts wegen erst dann verpflichtet ist, wenn hinreichende Anhaltspunkte für ihr Fehlen bestehen. Der Grund hierfür liegt darin, dass nach der Lebenserfahrung grundsätzlich von der Partei- und Prozessfähigkeit einer Partei ausgegangen werden kann und diesbezügliche Störungen Ausnahmeerscheinungen sind, für die deshalb Anhaltspunkte bestehen müssen (vgl. z.B. BGHZ 159, 94; BGHZ 86, 184; BGH NJW 1969, 1574). Diese Rechtsprechung kann indes nicht auf § 88 Abs. 2 ZPO übertragen werden. Vielmehr kann die Frage, welche Verpflichtungen im Zusammenhang mit einer gesetzlich angeordneten Amtsprüfung bestehen, nicht losgelöst von dem zu überprüfenden Merkmal beantwortet werden. Da für die Bevollmächtigung einer als Vertreter auftretenden Person – anders als für die Partei- und Prozessfähigkeit – kein Erfahrungssatz streitet, besteht insoweit stets – auch ohne Anhaltspunkte für einen Mangel der Vollmacht – die Verpflichtung zur Überprüfung von Amts wegen.
Gericht "muss" Vorlage der Vollmacht verlangen
Gemäß § 80 ZPO muss das Gericht daher, wenn nicht ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter auftritt, von Amts wegen die Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsurkunde (§ 126 BGB) verlangen, weil es die Überzeugung vom Bestand der Vollmacht auf andere Weise nicht ordnungsgemäß gewinnen kann (im Ergebnis ebenso BeckOK-ZPO/Piekenbrock, Stand: 1.7.2021, § 88 Rn 10; MüKo-ZPO, 6. Aufl., § 88 Rn 7; Musielak/Voit/Weth, ZPO, 18. Aufl., § 88 Rn 7; Burgermeister, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 12. Aufl., § 88 Rn 4; OLG Köln Rpfleger 1976, 101, 102; OLG Hamm AnwBl 1979, 430; AG Hannover NJW 2010, 3313, juris).
Keine Erweiterung der Ausnahme auf Inkassodienstleister
Für einen vom Gläubiger bevollmächtigten Inkassodienstleister gilt im Rahmen von §§ 80, 88 Abs. 2 ZPO nichts anderes als für sonstige nichtanwaltliche Vertreter.
Der Wortlaut des § 88 Abs. 2 ZPO sieht eine Ausnahme nur für Rechtsanwälte vor, deren Vollmacht danach nur auf Rüge zu überprüfen ist, § 88 Abs. 1 ZPO. Dies ist Ausdruck des gesteigerten Vertrauens in die Berufsträger als...