Leitsatz
Zu den schriftlich vorzulegenden Urkunden, die einen elektronischen Vollstreckungsantrag nach § 829a, 754a ZPO hindern, gehören auch die Vollmachten von nichtanwaltlichen Bevollmächtigten.
BGH, Beschl. v. 29.9.2021 – VII ZB 29/20
1 Der Fall
Elektronischer PfÜB-Antrag nach § 829a ZPO
Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid in Höhe von 32,61 EUR nebst Zinsen und Kosten. Zu diesem Zweck hat die Gläubigerin, vertreten durch die in das Rechtsdienstleistungsregister eingetragene lnkassodienstleisterin beim AG – Vollstreckungsgericht – die Pfändung und Überweisung von Forderungen der Schuldnerin gegen ihre Bank im vereinfachten Verfahren "gemäß § 829a ZPO" beantragt.
Die Inkassodienstleisterin hat den Antrag auf elektronischem Weg mit digitaler Signatur an das elektronische Gerichtspostfach übermittelt und ihm unter anderem eine elektronische Ablichtung des Vollstreckungsbescheids sowie eine elektronische Ablichtung einer privatschriftlichen Vollmachtsurkunde der Gläubigerin zugunsten der Inkassodienstleisterin beigefügt. Letztere enthält einen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen Beglaubigungsvermerk eines Notars, mit dem dieser die Übereinstimmung des ihm in Urschrift vorliegenden Dokuments mit den in der Datei enthaltenen Bilddaten beglaubigt.
Scheitert dieser Weg an der Vollmachtsvorlage?
Das AG hat den Antrag der Gläubigerin auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (PfÜB) gemäß § 829a ZPO zurückgewiesen. Dem Antrag habe der Vollstreckungsbescheid beigefügt sein müssen. Für die durch die Inkassodienstleisterin vertretene Gläubigerin sei die Möglichkeit eines vereinfachten Vollstreckungsantrags bei Vollstreckungsbescheiden nach § 829a ZPO nicht eröffnet. Die dort geregelte Möglichkeit einer elektronischen Antragstellung ohne Übermittlung einer Titelausfertigung habe unter anderem zur Voraussetzung, dass die Vorlage anderer Urkunden als der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids nicht vorgeschrieben sei, § 829a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO. Nach § 80 Abs. 1 S. 1 ZPO sei von Bevollmächtigten jedoch eine schriftliche Vollmacht zu den Gerichtsakten zu reichen. Nur wenn als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftrete, sei das Gericht nach § 88 Abs. 2 ZPO nicht von Amts wegen gehalten, den Nachweis der Vollmacht zu verlangen. Daraus folge, dass das vereinfachte Verfahren nach § 829a ZPO ohne Übermittlung einer Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids im Ergebnis nur den Gläubigern selbst und Rechtsanwälten zur Verfügung stehe. Inkassodienstleister als Bevollmächtigte seien hiervon ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung der Gläubigerin komme eine einschränkende Auslegung des § 829a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO dahingehend, dass mit "anderen Urkunden" nicht die Vollmacht gemeint sei, nicht in Betracht.
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das LG zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Begehren auf Erlass des PfÜB im Wege des vereinfachten Vollstreckungsantrags bei Vollstreckungsbescheiden gemäß § 829a ZPO weiter.
2 II. Die Entscheidung
BGH folgt den Ausgangsgerichten
Die gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2, § 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist in der Sache nicht begründet. Die Auffassung von AG und LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat den Antrag der Gläubigerin auf Erlass des PfÜB im vereinfachten Vollstreckungsverfahren gemäß § 829a ZPO zu Recht zurückgewiesen.
BGH: Inkassodienstleister können keinen elektronischen PfÜB-Antrag stellen
Die Möglichkeit des vereinfachten Vollstreckungsantrags bei Vollstreckungsbescheiden gemäß § 829a ZPO ist für einen Gläubiger, der sich durch einen Inkassodienstleister als Bevollmächtigten vertreten lässt, nicht eröffnet, weil gemäß §§ 80, 88 Abs. 2 ZPO die Vollmacht durch Einreichung der schriftlichen Vollmachtsurkunde zu den Gerichtsakten nachgewiesen werden muss und es sich bei der Vollmachtsurkunde um eine die Anwendung des § 829a ZPO ausschließende, vorlegungspflichtige "andere Urkunde" i.S.d. § 829a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO handelt.
Enge Voraussetzungen des elektronischen Antrages
Nach § 829a Abs. 1 S. 1 ZPO ist im Fall eines elektronischen Antrags zur Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid, der einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf, bei Pfändung und Überweisung einer Geldforderung (§§ 829, 835 ZPO) die Übermittlung der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 829a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 4 ZPO entbehrlich. Danach setzt der vereinfachte Vollstreckungsantrag bei Vollstreckungsbescheiden unter anderem voraus, dass die Vorlage anderer Urkunden als der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids nicht vorgeschrieben ist, § 829a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.
Grundvoraussetzung: schriftliche Vollmacht
§ 80 ZPO bestimmt, dass der Nachweis der Vollmacht durch Einreichung der schriftlichen Vollmachtsurkunde zu d...