Leitsatz
Nimmt die Gläubigerin den Zwangsvollstreckungsauftrag gegen den Erinnerungsführer als nur vermeintlichen Schuldner nach einer Identitätsverwechslung zurück, so hat das Erinnerungsverfahren seine Erledigung gefunden. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens sind in diesem Fall der Gläubigerin aufzuerlegen.
AG Essen/Borbeck, Beschl. v. 27.11.2020 – 17 M 1634/20
1 Der Fall
Identitätsverwechslung
Die Parteien streiten um die Zwangsvollstreckung gegen einen letztlich falschen Schuldner. Die Gläubigerin und Erinnerungsgegnerin betrieb die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner und Erinnerungsführer aus einem Vollstreckungsbescheid. Dabei lag jedoch eine Verwechslung in der Person des Schuldners aufgrund erheblicher Namensähnlichkeit vor. Dem lag insbesondere eine fehlerhafte Auskunft des Einwohnermeldeamtes zugrunde. Im Ergebnis richtete sich der Titel gegen den verstorbenen Vater des Schuldners.
Folge: Vollstreckungsauftrag wird zurückgenommen
Ursprünglich hat der Schuldner die Einstellung des Zwangsvollstreckungsverfahrens beantragt. Nachdem die Gläubigerin von der Namensverwechslung Kenntnis erlangt hat, hat sie den Zwangsvollstreckungsauftrag zurückgenommen. Daraufhin hat der Schuldner das Verfahren für erledigt erklärt.
Erinnerungsverfahren erledigt?
Dem hat die Gläubigerin widersprochen, so dass der Schuldner beantragt festzustellen, dass das das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist. Dem tritt die Gläubigerin mit der Ansicht entgegen, des Erinnerungsverfahrens hätte es gar nicht bedurft, da der Schuldner einfach der Gerichtsvollzieherin seinen Personalausweis, aus dem sich die Namensverwechslung erwiesen hätte, hätte vorzeigen können.
2 II. Die Entscheidung
AG geht von einem erledigenden Ereignis aus
Der zulässige Antrag auf Feststellung der Erledigung des Erinnerungsverfahrens ist begründet, da ein solcher Feststellungsantrag begründet ist, wenn eine ursprünglich zulässige und begründete Erinnerung durch ein erledigendes Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist.
Dies ist hier der Fall. Bevor die Gläubigerin den Zwangsvollstreckungsauftrag zurückgenommen hat, war die zulässige Erinnerung begründet, da eine Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner als falschen Schuldner – da gegen ihn kein Titel vorlag – nicht statthaft war. Da der Zwangsvollstreckungsauftrag nun zurückgenommen wurde, ist die ursprünglich auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung abzielende Erinnerung mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
AG sieht die missliche Situation für die Gläubigerin
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Ablauf des Verfahrens äußerst misslich war. Bei zutreffender Auskunft seitens des Einwohnermeldeamtes oder Einstellung der Gerichtsvollzieherin nach etwaigem Erhalt entsprechender Nachweise hätte es der Erinnerung (wie auch des damit verbundenen Zeitaufwands für Gläubigerin und Schuldner sowie nun entstandenen Kostenaufwandes für die Gläubigerin) nicht bedurft.
Allerdings haftet der Schuldner nicht für die Auskunft des Einwohnermeldeamtes, die den unglücklichen Verfahrensablauf begünstigt haben dürfte. Zudem hätte zwar der Schuldner möglicherweise die Verwechslung schneller aufklären können, jedoch ist das Gericht an die strikte formale Betrachtungsweise im Zwangsvollstreckungsrecht gebunden. Danach kommt es allein darauf an, dass die Erinnerung wie aufgezeigt ursprünglich zulässig und begründet ist und dies aufgrund eines erledigenden Ereignisses nun nicht mehr der Fall ist; für die (hier zwingend) ausschlaggebende formaljuristische Wertung ist es nicht von Bedeutung, wer daran schuld ist.
Danach sind die Einzelheiten der Abläufe hinsichtlich Einwohnermeldeamt und Vorgehens der Gerichtsvollzieherin im Hinblick auf die etwaige Namensverwechslung zwar für Gläubigerin und Schuldner tatsächlich verständlicherweise von großer Bedeutung, bedürfen aber angesichts der rein rechtlich betrachtet fehlenden Bedeutung für diese Entscheidung keiner näheren Ausführung.
Kostenentscheidung zu Lasten des Gläubigers sei zwingend
Zudem ist es nach der eindeutigen Formulierung des Gesetzgebers entsprechend § 91 ZPO zwingend, dass derjenige, der im Erinnerungsverfahren unterliegt – unabhängig davon, woran dies lag –, auch die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
3 Der Praxistipp
Das Argument der Gläubigerin wird nicht gesehen
Auf den ersten Blick leuchtet die Entscheidung des AG ein. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Feststellung, dass die Erinnerung erledigt ist, voraussetzt, dass die Erinnerung ursprünglich zulässig und begründet war. Die ursprüngliche Zulässigkeit wird vom AG aber nur behauptet und nicht begründet.
Die Gläubigerin hat hierzu eingewandt, dass es des Erinnerungsverfahrens nicht bedurft hätte, wenn der Erinnerungsführer seine Identität gegenüber dem Gerichtsvollzieher offengelegt hätte. Damit macht die Gläubigerin deutlich, dass es aus ihrer Sicht an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Erinnerung gefehlt hat. Dem kann nicht ohne Weiteres die Schlüssigkeit abgesprochen werden. Es ist Grundlage des Rechtsschutzbedürfnisses für ein Rechtsmittel, dass der g...