Leitsatz
Der Grundstückseigentümer hat nach der Löschung von Zwangseintragungen grundsätzlich keinen Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchblatts.
KG Berlin, Beschl. v. 5.4.2022 – 1 W 349/21
1 Der Fall
Eintragung von Zwangshypotheken und Insolvenzen im Grundbuch
Die Beteiligte ist für Wohnungseigentumsrechte seit 1990 bzw. 1992 als Eigentümer eingetragen. In Abt. II waren jeweils ein Vermerk über die Anordnung der Zwangsversteigerung (eingetragen 2003, gelöscht 2004), ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO (eingetragen 2013, gelöscht 2014) und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen (eingetragen 2014, gelöscht am 8.12.2020) notiert. Aus Abt. III sind eine Arresthypothek sowie eine Sicherungshypothek aus dem Jahr 2003 ersichtlich, die am 11.3.2021 gelöscht wurden.
Antrag auf Neuanlage der Grundbücher, nachdem "alles erledigt ist"
Die Beteiligte beantragt, die Grundbuchblätter umzuschreiben, da die gelöschten Eintragungen kreditschädigend und diskriminierend seien. Die höchstens abzuwartende Dreijahresfrist (analog § 882e ZPO) habe mit der gerichtlichen Bestätigung ihres Insolvenzplans 2018 begonnen. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens sei durch Rechtsbehelfe eines ihrer Gläubiger verzögert worden. Das Grundbuchamt hat den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.
2 II. Die Entscheidung
Grundbuch muss historisch authentisch sein
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 71 ff. GBO) jedoch nicht begründet. Das Grundbuchamt hat den Antrag zu Recht gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 GBO zurückgewiesen.
Das Grundbuch ist dazu bestimmt, über die das Grundstück betreffenden Rechtsverhältnisse möglichst erschöpfend und zuverlässig Auskunft zu geben (BGH NJW-RR 2017, 1162). Mit dem Grundbuch sollen auf sicherer Grundlage bestimmte und sichere Rechtsverhältnisse für unbewegliche Sachen geschaffen und erhalten werden (RGZ 145, 343, 354; RGZ 61, 374, 377; Demharter, GBO, 31. Aufl., Einleitung Rn 1). Hierauf beruht der öffentliche Glaube des Grundbuchs und die Vermutung der Richtigkeit des Registerinhalts, §§ 891, 892, 893 BGB.
Das gilt auch für negative Eintragungen
Der öffentliche Glaube beschränkt sich nicht nur auf positive Eintragungen, sondern auch auf Löschungen, vgl. § 891 Abs. 2 BGB. Das macht es erforderlich, auch gelöschte Eintragungen noch erkennen zu können (BGH NJW 2019, 2541). Deshalb erfolgt die Löschung eines Grundpfandrechts regelmäßig durch Eintragung eines Löschungsvermerks, § 46 Abs. 1 GBO, in Spalte 10 der dritten Abteilung des Grundbuchs, § 11 Abs. 7 GBV. Außerdem sind die Eintragungen in Spalten 1 bis 7 rot zu unterstreichen, § 17 Abs. 2 S. 1 GBV. Im maschinell geführten Grundbuch können die Unterstreichungen schwarz dargestellt werden, § 91 S. 2 GBV. Im Grundbuch darf nichts radiert und nichts unleserlich gemacht werden, § 21 Abs. 1 S. 2 GBV.
Die Löschung als Unterstreichung und mit Löschungsvermerk muss reichen
Dementsprechend hat das Grundbuchamt die Löschungen vollzogen. Hiergegen gibt es nichts zu erinnern und auch der Beteiligte wendet sich hiergegen nicht. Der Beteiligte hat keinen Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchblattes.
Nur ein unübersichtlich gewordenes Grundbuchblatt hat das Grundbuchamt – durch Anlegung eines neuen und Schließung des alten Blattes, § 30 GBV – umzuschreiben, § 28 S. 1 GBV. Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor und werden auch von dem Beteiligten nicht behauptet. Es liegt auch kein Fall der fakultativen Umschreibung vor. Durch eine Umschreibung würde das Grundbuchblatt nicht wesentlich vereinfacht werden, § 28 S. 2 GBO.
Kein Offenbarungsverbot
Die Regelungen in § 28 GBV können hier auch nicht entsprechend angewendet werden. Das kann allerdings der Fall sein, wenn einer Eintragung im Grundbuch ein Offenbarungsverbot entgegensteht (BGH a.a.O. zu § 5 Abs. 1 TSG; OLG Schleswig NJW-RR 1990, 23 zu § 1758 BGB; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn 613b). Ein solches Verbot ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich.
Vollstreckungseintrag genügt nicht
Darüber hinaus wird in der Literatur diskutiert, ob der Eigentümer die Umschreibung verlangen kann, wenn alte Zwangsversteigerungs- oder Insolvenzvermerke zwar längst gelöscht, aber trotzdem noch erkennbar sind und sich diskriminierend und kreditschädigend auswirken können (Keller, in: KEHE, GBO, 8. Aufl., § 28 GBV, Rn 3; Holzer, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2018, § 32 Rn 46 f.; ders., in: BeckOK-GBO, 2019, § 3 Rn 8; a.A.: Schneider, in: Meikel, GBV, 11. Aufl., § 28 Rn 9; Schöner/Stöber, a.a.O., Rn 613a; Demharter, a.a.O., § 3 Rn 12; Wilsch, FGPrax 2017, 102; Heinze, ZfIR 2013, 375, 376).
Diese Ansicht hat sich in der obergerichtlichen Rechtsprechung hingegen nicht durchsetzen können (OLG Düsseldorf FGPrax 2017, 100, 101; OLG Köln FGPrax 2015, 249, 250; OLG Naumburg FGPrax 2014, 54; OLG München NJOZ 2014, 687; OLG Celle FGPrax 2013, 146, 147; BayObLG NJW-RR 1993, 475).
KG Berlin folgt der Rechtsprechung und nicht der Literatur
Der Senat sieht keinen Anlass, von dieser einheitlichen Rechtsprechung abzuweichen. Auch der Beteiligte führt...