Die Halbwertzeit von normativen Regelungen wird offenbar immer geringer. Am 21.12.2022 wurde im Bundesgesetzblatt die Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung vom 16.12.2022 verkündet (BGBl I 2022, S. 2368). Die Verordnung trat am Folgetag in Kraft, sodass seitdem die neuen acht Formulare genutzt werden können.
§ 6 ZVFV sieht vor, dass die Anträge wegen der Vollstreckung von Geldforderungen, die nach § 2 ZVFV der Nutzungspflicht unterliegen, ab dem 1.12.2023 benutzt werden müssen. So weit, so gut, wenn nicht anschließend wenig gut überlegte Änderungsvorschläge in die Form von Referentenentwürfen gegossen worden wären.
Der Referentenentwurf vom 3.8.2023
Mit der ersten Fassung des Referentenentwurfes vom 3.8.2023 sollten einige Vorschläge von Anwendern und der gerichtlichen Praxis aufgenommen werden, mit denen die Handhabbarkeit der Formulare verbessert werden könnte. So sollte eine Eingabemöglichkeit für das Geburtsdatum des Schuldners und die Safe-ID des Gerichtsvollziehers geschaffen werden, vermeintliche fehlende Auswahlmöglichkeiten durch eine Ankreuzoption ergänzt und einige Bezeichnungen korrigiert werden. Zugleich sollte die Verbindlichkeit der Nutzungspflicht vom 1.12.2023 auf den 1.6.2024 verschoben werden.
Der Referentenentwurf vom 1.9.2023
An dem Tag, an dem die dazu aufgeforderten Stellen und Personen ihre Stellungnahme zum ersten Referentenentwurf eingereicht haben mussten, erfolgte schon eine Änderung der vorgeschlagenen Änderung. Einige Softwarehersteller und auch die Justiz in den Ländern hatten und haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht und die Voraussetzungen für den verbindlichen Einsatz der Formulare zum 1.12.2023 wie offenbar auch zum 1.6.2024 nicht geschaffen. Die Verbindlichkeit sollte deshalb noch weiter aufgeschoben werden, nämlich nunmehr vom 1.12.2023 auf den 1.5.2025.
Dieser Vorschlag ist nicht nur bei den Softwareherstellern, die andere Projekte zurückgestellt haben, um die rechtzeitige Nutzung der Formulare sicherzustellen, auf Unverständnis gestoßen, sondern auch bei allen Fachkommentatoren. Wenn man die Verbindlichkeit so lange aufschiebt, hätte man die Verordnung auch (erst einmal) nicht in Kraft setzen müssen. Das Nebeneinander von zwei Formularsystemen schafft nicht mehr, sondern weniger Ordnung und schadet am Ende dem Anliegen der Digitalisierung. So war die Kritik an diesem zweiten Vorschlag erheblich.
Der Referentenentwurf vom 5.10.2023
Das BMJ hat sich aufgrund der Stellungnahmen zum ersten Referentenentwurf vom 3.8.2023 zunächst überzeugen lassen, dass es noch zu früh ist, um inhaltliche Änderungen an den Formularen vorzunehmen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass jede Änderung erhebliche Aufwände in der IT-Anpassung nach sich zieht. Auch wenn verschiedene Schwachpunkte schon zu sehen sind, sollte zunächst ein möglichst umfangreicher Praxiseinsatz abgewartet werden, um in einem Zuge dann als notwendig erkannte Änderungen vorzunehmen. Dem wird nun Rechnung getragen. Die Änderungsvorschläge wurden einstweilen zurückgezogen.
Nun der dritte Stichtag
Am 5.10.2023 hat das BMJ aber gleichzeitig mitgeteilt, dass nun ein dritter Stichtag für die Verbindlichkeit der Formulare verordnet werden soll, nämlich der 1.9.2024.
Hinweis
Hintergrund dürfte sein, dass das BMJ einen Referentenentwurf zur weiteren Digitalisierung der Zwangsvollstreckung und einen weiteren Referentenentwurf zur Digitalisierung der Justiz vorgelegt hat. Beide Entwürfe werden als Gesetz Auswirkungen auf die Gestaltung der Formulare haben. Da diese im ersten Halbjahr 2024, spätestens zum 1.7.2024 in Kraft treten sollen, kann dann eine Einarbeitung in neue Formulare nach der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung erfolgen, die dann zum 1.9.2024 genutzt werden können.
Die Übergangsfrist gibt einerseits Gelegenheit, hinreichend Erfahrung mit den aktuellen Formularen zu sammeln und diese dann weiter zu optimieren und mögliche Streitfragen zu klären.
Hinweis
Notwendig ist dafür allerdings, dass die aktuellen Formulare nach der ZVFV ungeachtet des fehlenden Verwendungszwangs eine hinreichende Akzeptanz finden und in der Praxis zur Regel werden. Es gibt keinen Grund, diese nicht einzusetzen. Sie sind weit komfortabler, inhaltlich präziser und strukturierter als die alten Formulare.
Formulare als strukturierte Datensätze?
Andererseits mag die Frist aber auch dazu dienen, dass die Justiz der Bundesländer von der Möglichkeit des § 5 ZVFV Gebrauch macht und bis zum 1.9.2024 strukturierte Datensätze zur Einreichung der Vollstreckungsanträge und Beschlussentwürfe nebst Forderungsaufstellungen definiert. Zumindest professionelle Antragsteller wie Rechtsanwälte und Inkassodienstleister sollten dann wie im gerichtlichen Mahnverfahren sehr viel effektiver agieren können.
Bundesrat macht den Unsicherheiten ein Ende
Der Bundesrat wird über den letzten Vorschlag – ausschließlich die Verschiebung der Verbindlichkeit vom 1.12.2023 auf den 1.9.2024 – in seiner Sitzung vom 24.11.2023 befinden, sodass die Verkündung im Bundesgesetzblatt – notwendigerweis...