Der Nachteil des Gläubigers
Nach § 850c Abs. 2 ZPO erhöht sich der Pfändungsfreibetrag nach § 850c Abs. 1 ZPO für die erste unterhaltsberechtigte Person um den in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung ausgewiesenen Betrag. Das waren für die Zeit vom 1.7.2022 bis zum 30.6.2023 zunächst 500,62 EUR, für die Zeit vom 1.7.2023 bis zum 30.6.2024 dann 527,76 EUR und seit dem 1.7.2024 aktuell 560,90 EUR. Hinzu kommt, dass der überschießende Betrag in Höhe von 3/10 für den Schuldner und weiteren 2/20 für die erste gesetzlich unterhaltsberechtigte Person pfändungsfrei bleibt. Aufgrund des Sterbefalls ist diese Privilegierung also ab April 2023 zu Unrecht gewährt und in Anspruch genommen worden.
Hieraus folgt, dass bei einem durchgängigen Nettoeinkommen von 1.838 EUR sich
▪ |
von April 2023 bis Juni 2023 bei keiner unterhaltsberechtigten Person ein pfändbarer Betrag von 349,89 EUR statt bei einer berücksichtigten gesetzlich unterhaltsberechtigten Person von 0 EUR ergeben hätte, was zu einer monatlichen Differenz zulasten des Gläubigers von 349,89 EUR geführt haben müsste; |
▪ |
von Juli 2023 bis Juni 2024 bei keiner unterhaltsberechtigten Person ein pfändbarer Betrag von 299,40 EUR statt bei einer berücksichtigten gesetzlich unterhaltsberechtigten Person von 0 EUR ergeben hätte, was zu einer monatlichen Differenz zulasten des Gläubigers von 299,40 EUR geführt haben müsste; |
▪ |
seit Juli 2024 bis November 2024 bei keiner unterhaltsberechtigten Person ein pfändbarer Betrag von 236,78 EUR statt bei einer berücksichtigten gesetzlich unterhaltsberechtigten Person von 0 EUR ergeben hätte, was zu einer monatlichen Differenz zulasten des Gläubigers von 236,78 EUR geführt haben müsste. |
Hinweis
Bei richtiger Angabe des Nettoeinkommens hätte der Drittschuldner eigentlich über den gesamten Zeitraum überhaupt keine pfändbaren Beträge abführen dürfen. Da gleichwohl "geringe Beträge" gezahlt wurden, muss der Drittschuldner auch unzutreffend gerechnet haben. Es kann deshalb sinnvoll sein, die Lohnabrechnungen für diesen Zeitraum herauszuverlangen (BGH v. 19.12.2012 – VII ZB 50/11, FoVo 2013, 56) und noch einmal genau nachzurechnen. Es wäre im Übrigen auch ungewöhnlich, wenn sich in diesem Zeitraum nicht auch der Nettolohn verändert hätte.
Die Berechnung des unpfändbaren und des pfändbaren Arbeitseinkommens
Welche Einkünfte unter das Arbeitseinkommen fallen, ergibt sich aus § 850 ZPO. Danach hat dann der Arbeitgeber als Drittschuldner nach Maßgabe des § 850e Nr. 1 ZPO das Nettoeinkommen des Schuldners als Grundlage der Bestimmung des Pfändungsfreibetrags nach § 850c ZPO zu ermitteln (Riedel, in: BeckOK-ZPO, 54. Ed., 1.9.2024, § 850e Rn 1). Es obliegt also weder dem Gläubiger noch – auf der Grundlage eines Blankettbeschlusses – dem Gericht, den Pfändungsfreibetrag zu bestimmen. Der Berechnung ist dabei die Nettolohnmethode zugrunde zu legen (BAG v. 17.4.2013 – 10 AZR 59/12), die fiktive Berechnungen notwendig machen kann (hierzu Riedel, in: BeckOK-ZPO, 54. Ed., 1.9.2024, § 850e Rn 7a).
Was kann der Arbeitgeber berücksichtigen: Steuerklasse
Der Arbeitgeber kann zunächst allerdings nur einmal die Merkmale für die Berechnung des Nettolohns berücksichtigen, die ihm seitens der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellt werden. Insoweit haben weder die Schuldnerin noch die Finanzverwaltung oder der Drittschuldner fehlerhaft gehandelt.
Scheint es so, als müsste mit dem Tod des Ehegatten "automatisch" ein Steuerklassenwechsel verbunden sein, ist dies tatsächlich nach § 38b Abs. 1 Nr. 3b) EStG nicht der Fall. Der überlebende Ehegatte verbleibt nämlich im Todesjahr (hier 2023) wie auch im darauffolgenden Jahr (2024) in der Lohnsteuerklasse III.
Hinweis
Ab dem zweiten auf den Todestag folgenden Kalenderjahr wechselt der überlebende Ehegatte dann in die Steuerklasse I. Der Gläubiger profitiert hiervon allerdings nicht, da die Steuerklasse I zu einer höheren Steuerlast und damit einem niedrigeren Nettolohn führt. Insoweit ist durch den – zu Recht – (noch) nicht mitgeteilten Wechsel der Steuerklasse dem Gläubiger auch kein Schaden entstanden. Sollte der überlebende Ehegatte alleinerziehend sein und die Voraussetzungen für den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24b EStG erfüllen, kann er allerdings auch die Einstufung in die Steuerklasse II beantragen.
Die Berücksichtigung des Wegfalls einer unterhaltsberechtigten Person
Eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person wird nach § 850c Abs. 2 ZPO dann nicht mehr berücksichtigt, wenn der Schuldner keinen Unterhalt gewährt. Gleiches gilt nach § 850c Abs. 6 ZPO, wenn die gesetzlich unterhaltsberechtigte Person über ausreichendes eigenes Einkommen verfügt und der Gläubiger deshalb einen Antrag auf Nichtberücksichtigung dieser Person gestellt hat, dem stattgegeben wurde. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass man einer verstorbenen Person – der Ehegatte war hier nach § 1360 BGB gesetzlich unterhaltsberechtigt – keinen Unterhalt mehr gewährt, diese also auch nicht mehr zu berücksichtigen ist.
Ermittlungspflicht d...