OLG sieht Mangel bei den Vollstreckungsvoraussetzungen
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden gem. §§ 567 ff. ZPO analog (vgl. Sternal/Giers, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 87 Rn 15). In der Sache ist sie auch begründet. Dabei kann es dahinstehen, ob materiellrechtlich die Voraussetzungen für den Erlass eines Ordnungsgeldbeschlusses vorgelegen haben. Denn jedenfalls fehlt es an den formalen Voraussetzungen für die Vornahme einer Zwangsvollstreckung.
Vollstreckung des Vergleichs grundsätzlich mit Ordnungsmitteln
Die Antragsgegnerin betreibt hier die Vollstreckung aus einem in dem Gewaltschutzverfahren geschlossenen Vergleich (§ 86 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Gem. § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG i.V.m. den §§ 890, 891 ZPO kann der Berechtigte zur Durchsetzung einer im Rahmen eines Gewaltschutzverfahrens eingegangenen Verpflichtung die Festsetzung von Ordnungsmitteln beantragen. Dafür bedurfte der Gewaltschutzvergleich vor seiner Zwangsvollstreckung als allgemeiner Vollstreckungsvoraussetzung (§ 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 750 ZPO) der förmlichen Zustellung, die vor Beginn der Zwangsvollstreckung oder gleichzeitig mit dieser erfolgen muss (vgl. OLG Koblenz v. 21.5.2019 – 13 WF 399/19, juris Rn 4; OLG Brandenburg v. 15.12.2014 – 13 WF 298/14, juris Rn 5; Zöller/Feskorn, 34. Aufl. 2022, § 87 FamFG Rn 4; Möller, Gewaltschutz: Vergleich muss hinreichend bestimmt sein, in: FK 2019, 183; OLG Hamburg v. 8.2.2019 – 2 WF 19/19, juris Rn 19).
Fehlende Zustellung als Mangel
Zwar spricht der Wortlaut des § 87 Abs. 2 FamFG nur von der Zustellung des Beschlusses und erwähnt den Vergleich als Vollstreckungstitel nicht. Der Wortlaut des § 87 Abs. 2 FamFG ist aber aufgrund eines gesetzgeberischen Versehens zu eng gefasst und die Norm daher analog auch auf gerichtlich protokollierte Vergleiche anzuwenden (vgl. OLG Hamburg a.a.O., juris Rn 20; Keidel/Giers, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 87 Rn 12; OLG Frankfurt v. 2.11.2011 – 5 WF 151/11, juris Rn 3).
Zustellung ist nicht dokumentiert und war nicht gewollt
An einer Zustellung fehlt es vorliegend. Weder enthält die Akte des Verfahrens einen entsprechenden Nachweis einer Zustellung des Vergleichsprotokolls noch ist dort eine entsprechende Anordnung vermerkt. Auch im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens ist ausweislich des Akteninhalts keine Zustellung des Vergleichsprotokolls erfolgt. Das AG hat zudem in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 9.11.2023 ausdrücklich begründet, dass und warum es seiner Auffassung nach keiner förmlichen Zustellung bedurfte. Die Begründung des AG, einer förmlichen Zustellung habe es hier nicht bedurft, "da der Vergleich in Anwesenheit der Beteiligten wirksam geschlossen und der Androhungsbeschluss in deren Anwesenheit bekannt gegeben und damit wirksam" geworden sei, überzeugt schon deshalb nicht, weil die Wirksamkeit eines Vergleichsschlusses keine gesetzliche Grundlage dafür gibt, auf die förmliche Zustellung eines Titels als Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung verzichten zu können.
Zustellung hat eigenständigen Zweck im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung
Die Zustellung dient als urkundlicher Nachweis, dass der Schuldner Gelegenheit hatte, den Inhalt der zu vollstreckenden Verpflichtung zu Kenntnis zu nehmen und sich über die Umstände der ggf. bevorstehenden Zwangsvollstreckung zu informieren (vgl. Heßler, in: MüKo-ZPO, 6. Aufl. 2020, § 750 Rn 9). Dazu genügt es nicht, wenn der Schuldner in der mündlichen Verhandlung von dem Inhalt schon deshalb Kenntnis erlangt, weil er an einem Vergleichsschluss darüber beteiligt ist. Dies ergibt sich zwanglos bereits daraus, dass eine Zwangsvollstreckung bei einem – wie hier – zeitlich unbegrenzt geschlossenen Vergleich unter Umständen erst Jahre nach Abschluss der Vereinbarung im Raum stehen kann. Den Beteiligten dürfte der genaue Inhalt des Vergleichs nach einem gewissen Zeitablauf nicht mehr erinnerlich sein, sodass es gerade auch der Gewährung rechtlichen Gehörs dient, wenn über eine Zustellung nachweisbar ist, dass die Beteiligten über den genauen Text der gerichtlich geschlossenen Vereinbarung verfügen. Denn nur dann sind sie in der Lage, etwaiges Fehlverhalten der anderen Seite darauf zu überprüfen, ob es von der Vereinbarung erfasst und damit strafbewehrt ist.