Leitsatz
Die Forderung aus einer zur Abwendung der Sicherungsvollstreckung geleisteten Prozessbürgschaft wird mit der Rechtskraft des Urteils, dessen Vollstreckung abgewendet werden soll, fällig, ohne dass es einer Leistungsaufforderung durch den Titelgläubiger bedarf.
Die Ansprüche aus einer zur Abwendung der Sicherungsvollstreckung geleisteten Prozessbürgschaft unterliegen der dreijährigen Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB.
Ein Neubeginn der Verjährung durch ein Anerkenntnis des Schuldners ist nicht mehr möglich, wenn die Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist.
BGH, 11.11.2014 – XI ZR 265/13
1 I. Der Fall
Prozessbürgschaft zur Abwendung der Sicherungsvollstreckung
Die Klägerin nimmt die beklagte Bank im Zusammenhang mit einer Prozessbürgschaft in Anspruch. Die Klägerin führte erfolgreich einen Vorprozess gegen die zwischenzeitlich insolvente Schuldnerin, die am 2.6.2006 zur Zahlung von 93.619,33 EUR nebst Zinsen verurteilt wurde. Die Klägerin betrieb die Sicherungsvollstreckung nach § 720a ZPO, zu deren Abwendung die Schuldnerin eine unbefristete, unwiderrufliche und unbedingte selbstschuldnerische Prozessbürgschaft der jetzt beklagten Bank in Höhe von 115.403,06 EUR beibrachte. Auf die Berufung wurde das Urteil am 12.3.2007 dahingehend geändert, dass die Schuldnerin lediglich 48.164,33 EUR nebst Zinsen zu zahlen hatte. Das Urteil wurde im April 2007 rechtskräftig.
Inanspruchnahme aus der Prozessbürgschaft
Am 4.8.2011 verlangte die Klägerin von der Beklagten Zahlung aus der Prozessbürgschaft. Hierauf antwortete die Beklagte mit einem Prüfungsvorbehalt und machte lediglich im Hinblick auf die Zinsen eine mögliche Verjährung geltend. Am 15.9.2011 erhob sie insgesamt die Einrede der Verjährung, worauf die Klägerin im November 2011 Zahlungsklage erhob und geltend machte, die Ansprüche seien nicht verjährt und im Übrigen anerkannt worden. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil die Ansprüche verjährt seien.
2 II. Die Entscheidung
BGH stimmt Vorinstanzen zu
Die Klägerin kann keine Zahlung aus der Prozessbürgschaft gemäß § 765 Abs. 1 BGB verlangen. Das Berufungsgericht hat die insoweit geltend gemachten Ansprüche zu Recht als verjährt angesehen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH unterliegen Forderungen aus einer Bürgschaft grundsätzlich unabhängig von der Verjährung der Hauptforderung der selbstständigen dreijährigen Regelverjährung nach § 195 BGB (BGH WM 2008, 2165; BGH WM 2012, 2190).
Es gilt die Regelverjährungsfrist
Die Regelverjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den seinen Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (§ 199 Abs. 1 BGB). Dabei entsteht der Anspruch aus der Bürgschaft unabhängig von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers in der Regel mit Fälligkeit der gesicherten Hauptschuld (st. Rspr. BGHZ 175, 161; BGH WM 2008, 173). Diese Grundsätze sind auf die hier in Rede stehende, zur Abwendung der Sicherungsvollstreckung nach § 720a Abs. 3 ZPO geleistete Prozessbürgschaft übertragbar.
Ansprüche aus einer solchen Prozessbürgschaft unterliegen nicht der für rechtskräftig festgestellte Ansprüche geltenden dreißigjährigen Verjährung analog § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Für eine analoge Anwendung fehlt es sowohl an einer Regelungslücke als auch an einer vergleichbaren Interessenlage. Aus der Rechtsnatur einer zur Abwehr der Sicherungsvollstreckung erteilten Prozessbürgschaft ergibt sich nichts anderes. Die Geltung einer dreißigjährigen Verjährungsfrist lässt sich weder mit dem Sicherungszweck der Prozessbürgschaft noch systematisch mit dem in § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO zum Ausdruck kommenden Prinzip der Gleichwertigkeit von Hinterlegung und Prozessbürgschaft rechtfertigen.
Sicherungszweck ist beschränkt
Die Prozessbürgschaft ist eine prozessuale Sicherheit im Sinne von § 108 ZPO. Sie dient der Ermöglichung, der Aufhebung oder der Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil. Der Umfang der Haftung des Prozessbürgen richtet sich dabei grundsätzlich nach dem Zweck der Sicherheitsleistung, der in der Regel der gerichtlichen Anordnung entnommen werden kann. Wird eine Prozessbürgschaft auf Veranlassung des erstinstanzlich unterlegenen Schuldners zur Vollstreckungsabwehr erbracht, besteht ihr Sicherungszweck nicht in der Sicherung der titulierten materiellen Forderung, sondern in der Sicherung der durch den Titel geschaffenen und nunmehr aufgeschobenen Vollstreckungsbefugnis des Titelgläubigers.
Sicherungszweck ist zeitlich sehr beschränkt
Dieser Sicherungszweck verlangt entgegen der Annahme der Revision nicht die analoge Anwendung der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Die zur Vollstreckungsabwehr erbrachte Prozessbürgschaft zielt nicht darauf ab, dem Titelgläubiger einen zweiten Schuldner zu verschaffen. Vielmehr will der Prozessbürge dem Titelgläubiger mit der Stellung einer solchen Prozessbürgschaft lediglich einen ange...