Autonome und einheitliche Auslegung des EU-Rechtes
Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 805/2004 dahin auszulegen ist, dass er auch auf Verträge anwendbar ist, die zwischen zwei nicht berufs- oder gewerbebezogen handelnden Personen geschlossen wurden. Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus den Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung des Kontexts der Bestimmung und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss.
Hinweis
Art. 6 Abs. 1d der Verordnung lautet: "Eine in einem Mitgliedstaat über eine unbestrittene Forderung ergangene Entscheidung wird auf jederzeitigen Antrag an das Ursprungsgericht als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt, wenn die Entscheidung in dem Mitgliedstaat ergangen ist, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz im Sinne von Art. 59 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 hat, sofern die Forderung unbestritten im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b) oder c) ist, sie einen Vertrag betrifft, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, und der Schuldner der Verbraucher ist."
Nur der Anspruchsgegner muss Verbraucher sein
Nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 805/2004 ist der Verbraucher eine Person, die einen Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann. Ihm ist nicht zu entnehmen, ob es für die Qualifizierung dieser Vertragspartei als "Verbraucher" eine Rolle spielt, ob ihr Vertragspartner Unternehmer ist oder nicht. Welche Eigenschaft der Vertragspartner eines Verbrauchers haben muss, ergibt sich auch nicht aus anderen Bestimmungen dieser Verordnung, so dass Sinn und Bedeutung des Begriffs "Verbraucher" in der fraglichen Bestimmung, in der nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verwiesen wird, unter Berücksichtigung des Kontexts der Bestimmung und des mit der Verordnung Nr. 805/2004 verfolgten Ziels zu ermitteln sind.
Europäischer Verbraucherbegriff ist maßgeblich
Insoweit ist, um die Beachtung der vom europäischen Gesetzgeber auf dem Gebiet der Verbraucherverträge verfolgten Ziele und die Kohärenz des Unionsrechts zu gewährleisten, insbesondere der in anderen unionsrechtlichen Regelungen enthaltene Verbraucherbegriff zu berücksichtigen. So ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das u.a. mit der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl L 95, S. 29) geschaffene System zum Schutz der Verbraucher auf dem Gedanken beruht, dass der Verbraucher sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt. Außerdem hat, wie aus dem 13. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 hervorgeht, die durch ihre Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit bei Verbrauchersachen geschaffene Sonderregelung die Funktion, für einen angemessenen Schutz des Verbrauchers als des Vertragspartners zu sorgen, der gegenüber seinem beruflich oder gewerblich handelnden Kontrahenten als wirtschaftlich schwächer und rechtlich weniger erfahren angesehen wird.
Verbraucher = berufs- oder gewerbebezogen handelnder privater Endverbraucher
In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass sich Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001, der auf den Begriff "Verbraucher" Bezug nimmt, nach seinem Wortlaut und seinem Zweck nur auf den nicht berufs- oder gewerbebezogen handelnden privaten Endverbraucher bezieht. Schließlich ist, wie den Erwägungsgründen 23 und 24 der Verordnung Nr. 593/2008 zu entnehmen ist, das Erfordernis des Schutzes der schwächeren Parteien, zu denen die Verbraucher gehören, im vertraglichen Kontext auch anerkannt, wenn es um die Bestimmung des auf Verbraucherverträge anwendbaren Rechts geht. Art. 6 Abs. 1 dieser Verordnung sieht insoweit vor, dass Verträge zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen dem Recht des Staates unterliegen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Schutzzweck darf nicht aus den Augen verloren werden
Diese Rechtsinstrumente erkennen somit die Notwendigkeit an, die schwächere Partei des Vertrags zu schützen, wenn dieser zwischen einer nicht berufs- oder gewerbebezogen und einer berufs- oder gewerbebezogen handelnden Person geschlossen wurde. In Anbetracht des in den genannten unionsrechtlichen Bestimmungen vorgesehenen Verbraucherschutzziels der Wiederherstellung von Gleichheit zwischen den Parteien in den Verträgen zwische...