Zahlung aus dem Dispo ist nicht insolvenzfest
Die Überweisung des Schuldners aus einem ihm eingeräumten Kontokorrentkredit führte nach dem BGH zu einer Gläubigerbenachteiligung, weil die von einem Gläubiger erwirkte Kontopfändung kein insolvenzfestes Absonderungsrecht begründet, wenn der Schuldner aus dem abgerufenen Dispositionskredit leistet.
Mit Abruf sind Kreditmittel pfändbar
Der Anspruch auf Auszahlung eines zugesagten Darlehens ist mit dessen Abruf pfändbar (BGH WM 2008, 168). Vor dem Abruf des Kontoinhabers ist dagegen kein Anspruch auf Auszahlung gegen die Bank vorhanden, der einem Abtretungs- oder Pfändungsgläubiger das Recht geben könnte, sich ohne Mitwirkung des Kontoinhabers Kreditmittel auszahlen zu lassen (BGH NJW 2004, 1444). Das Pfandrecht des Gläubigers ist folglich erst mit dem Abruf der Kreditmittel durch die Überweisungsaufträge und damit durch eine gemäß § 133 Abs. 1 InsO anfechtbare Rechtshandlung des Schuldners entstanden.
Hinweis
Der Abruf des Schuldners und nicht die eigentliche Auszahlung stellt sich mithin als anfechtbare Rechtshandlung im Sinne des § 133 InsO dar. Zwar wird eine Kontopfändung nach § 829 Abs. 3 ZPO in dem Zeitpunkt wirksam, in dem der Pfändungsbeschluss dem Drittschuldner zugestellt wird, weil damit ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Soweit sich jedoch die Pfändung auf eine künftige Forderung bezieht, wird ein Pfandrecht erst mit deren Entstehung begründet, so dass auch anfechtungsrechtlich auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist. Der Auszahlungsanspruch hinsichtlich der Kreditmittel wird aber eben erst mit deren Abruf fällig.
Kreditauszahlung als Gläubigerbenachteiligung?
War die Überweisung nicht durch ein insolvenzfestes Pfändungspfandrecht des Gläubigers gedeckt, so liegt eine objektive Gläubigerbenachteiligung vor, weil auch die Zahlung mit Mitteln eines vom Schuldner abgerufenen Dispositionskredits nach der Rechtsprechung des BGH gläubigerbenachteiligende Wirkung hat (BGH WM 2011, 1343; BGH WM 2012, 1401). Das geht auf eine ältere Entscheidung des BGH (NJW 2009, 3362) zurück. Aufgrund der Insolvenzanfechtung soll vornehmlich dasjenige, was aus dem Vermögen des Schuldners unter Benachteiligung der Insolvenzmasse veräußert, weggegeben oder aufgegeben worden ist, zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden (§§ 129 Abs. 1, 143 Abs. 1 InsO). Das ist nach dem BGH nicht ausschließlich der Fall, wenn der Schuldner pfändbare Vermögensgegenstände dem Gläubigerzugriff entzieht (anders allerdings die Begründung des Regierungsentwurfs zum Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 24.11.1992, BT-Drucks 12/3803, S. 55). Die Insolvenzgläubiger werden – so der BGH – auch benachteiligt, wenn durch die angefochtene Rechtshandlung die Schuldenmasse vermehrt wird (ständige Rechtsprechung, siehe BGH NJW 2008, 655; BGH ZIP 2009, 1674 m.w.N.).
Hinweis
Das überzeugt im Ergebnis allerdings nicht, weil die Schuldenmasse gerade nicht vermehrt wird. Es erfolgt lediglich ein Gläubigerwechsel. Die Gesamtsumme der Verbindlichkeiten bleibt unverändert, wenn der Schuldner seine Verbindlichkeiten lediglich umschuldet.
Situation des Gläubigers ist misslich
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass der Gläubiger nicht sicher sein kann, eine selbst im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung behalten zu dürfen. Das gilt umso mehr, als der Gläubiger in einer der BGH-Entscheidung vergleichbaren Konstellation nicht einmal wissen kann, ob die Zuleitung pfändbaren Guthabens auf bereits vorhandenem Guthaben oder auf dem Abruf von Kreditmitteln beruht. Der Rechtsdienstleister muss den Mandanten auf diesen Umstand hinweisen und ihm gegebenenfalls empfehlen, das Risiko der insolvenzrechtlichen Anfechtung und Rückzahlungsverpflichtung durch entsprechende Rückstellungen abzusichern.
FoVo 3/2016, S. 56 - 57