Leitsatz
Über einen erweiterten Pfändungsschutz auf dem P-Konto wegen unterhaltsberechtigter Kinder hat das Vollstreckungsgericht nicht zu entscheiden.
AG Greiz, Beschl. v. 17.2.2017 – M 648/16
1 I. Der Fall
Der Schuldner begehrt von dem AG die Festsetzung eines höheren Freibetrages auf dem P-Konto, weil er zwei unterhaltsberechtigte Kinder zu versorgen habe und auf dem P-Konto das Kindergeld sowie die Leistungen der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Lebensgefährtin eingingen.
2 II. Die Entscheidung
Bescheinigung vor Gerichtsbeschluss …
Beantragt werden kann gemäß § 850k Abs. 4 ZPO ein abweichender Betrag von den kraft Gesetzes bereits pfandfrei zugelassenen Beträgen. Diese vom Schuldner angeführten Positionen zu berücksichtigen ist aber Aufgabe des Drittschuldners, § 850k Abs. 2, Abs. 5 ZPO. Der Drittschuldner hat die leiblichen Kinder als weitere Unterhaltsberechtigte zu berücksichtigen, wenn dem Kreditinstitut eine Bescheinigung einer geeigneten Stelle vorgelegt wird, die die Aussagen des Schuldners belegt. Das Standesamt ist eine solche geeignete Stelle und die Geburtsurkunde ist ein solcher geeigneter Nachweis.
… was auch für das Kindergeld gilt …
Das Kindergeld ist kraft Gesetzes dem Schuldner pfandfrei zu belassen, wenn der Schuldner auch hier gemäß § 850k Abs. 5 S. 2 i.V.m. § 850k Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO Nachweise darüber von einer geeigneten Stelle darlegt. Der Kindergeldbescheid der Familienkasse ist ein solcher Nachweis.
… und für Leistungen des Sozialhilfeträgers!
Bezüglich der Leistungen des Sozialhilfeträgers für die Lebensgefährtin genügt die Vorlage des Leistungsbescheides, § 850k Abs. 5 S. 2 i.V.m. § 850k Abs. 2 S. 1 Nr. 1b ZPO.
Was aber, wenn keine Bescheinigung erreichbar ist?
Erst wenn der Schuldner den Nachweis gemäß § 850k Abs. 5 S. 2 ZPO nicht führen kann, ist eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts geboten, § 850k Abs. 5 S. 4 ZPO. Dies ist hier nicht der Fall. Kann der Antragsteller alle notwendigen Nachweise in der verlangten Form vorlegen, kann der Drittschuldner die Berechnung des pfandfrei zugelassenen Betrages ohne Mühe vornehmen.
3 Der Praxistipp
Der rechtliche Ausgangspunkt
Das Kreditinstitut ist dem Schuldner zur Leistung des grundsätzlich pfändungsfreien Guthabens nach § 850k Abs. 5 S. 1 i.V.m. Abs. 1 und 3 ZPO verpflichtet. Dies gilt für die Freibeträge unterhaltsberechtigter Personen nach § 850k Abs. 5 S. 2 ZPO aber nur insoweit, als der Schuldner durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers, der Familienkasse, des Sozialleistungsträgers oder einer geeigneten Person oder Stelle im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachweist, dass das Guthaben nicht von der Pfändung erfasst ist. Erst wenn der Schuldner den Nachweis nicht führen kann, hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag die Beträge nach § 850k Abs. 5 S. 4 ZPO zu bestimmen.
Schuldner muss tätig werden
Das AG hat den Ansatz der Reform der Kontopfändung konsequent umgesetzt. Bei rund 450.000 Kontopfändungen im Monat (!) – wie die Evaluation der Reform der Kontopfändung jüngst ergeben hat – sollten die Gerichte von einer Vielzahl weitergehender Schutzanträge entlastet werden. Bei einfach gelagerten Sachverhalten sollten die Drittschuldner – kostenfrei und ohne Erstattungsanspruch bezüglich des Aufwandes – in Anspruch genommen werden und die Prüfung der erweiterten Pfandfreiheit selbst wahrnehmen. Voraussetzung ist, dass der Schuldner tätig wird und die notwendigen Nachweise beschafft. Muster für die Bescheinigungen haben die Schuldner- und Verbraucherverbände mit den Kreditinstituten ausgehandelt. Man findet sie hier: www.verbraucherzentrale.de/bescheinigung-grundfreibetrag.
Falscher Weg erhöht Vollstreckungszugriff
Solange der Schuldner die Bescheinigung(en) nicht beigebracht hat, muss das Kreditinstitut die Pfändung und den beschränkten Pfändungsfreibetrag berücksichtigen und darüber hinausgehendes Guthaben an den Gläubiger auszahlen. Dabei ist die zeitliche Grenze des § 835 Abs. 4 ZPO zu beachten. Dadurch, dass der Schuldner zunächst das AG angerufen hat, verlor er wertvolle Zeit. Zeit, die am Ende dem Gläubiger zugute kommt. Da der Schuldner die Möglichkeit einer zeitgerechten Sicherung eines erweiterten Pfändungsfreibetrages hatte, kann dieses Ergebnis auch über § 765a ZPO nicht korrigiert werden.
FoVo 5/2017, S. 87 - 88