Leitsatz
1. Eine Vollstreckung von ersatzweise angeordneter Ordnungshaft ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners nicht gehindert.
2. Die Frage, in welchen Fällen die Verjährung der Vollstreckung eines Ordnungsmittels ruht, ist in Art. 9 Abs. 2 S. 4 EGStGB abschließend geregelt.
3. Die Vollstreckung kann nur dann im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 EGStGB "nach dem Gesetz" nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden, wenn diese Rechtsfolge im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist.
BGH, Beschl. v. 18.12.2018 – I ZB 72/17
1 I. Der Fall
Unterlassungsverpflichtung der späteren Insolvenzschuldnerin
Der Schuldnerin, deren Vorstand der Betroffene war und über deren Vermögen am 29.1.2016 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, ist auf Antrag der Gläubigerin durch einstweilige Verfügung des LG vom 23.5.2014 unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und im Falle seiner Uneinbringlichkeit Ordnungshaft verboten worden, ihre Beteiligung an der Planung und Entwicklung eines Oldtimer-Zentrums unter der Bezeichnung "M" am Standort B zu bewerben. Nachdem die einstweilige Verfügung auf den Widerspruch der Schuldnerin durch Urteil des LG vom 25.11.2014 bestätigt worden war, haben sich die Parteien im Berufungsverfahren durch Vergleich vom 7.5.2015 auf eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung geeinigt und das Verfügungsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Zwangsgeld gegen Schuldner – Rechtsmittel erfolglos
Das LG hat gegen die Schuldnerin wegen einer Zuwiderhandlung gegen die einstweilige Verfügung vom 23.5.2014 am 11.12.2014 ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000 EUR, ersatzweise je 250 EUR einen Tag Ordnungshaft (insgesamt 20 Tage) festgesetzt. Am 24.2.2015 hat es gegen die Schuldnerin wegen erneuter Zuwiderhandlung gegen die einstweilige Verfügung vom 23.5.2014 ein Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 EUR, ersatzweise je 250 EUR einen Tag Ordnungshaft (insgesamt 200 Tage) verhängt. Wegen einer weiteren Zuwiderhandlung gegen die einstweilige Verfügung vom 23.5.2014 hat das LG gegen die Schuldnerin am 20.4.2015 ein Ordnungsgeld in Höhe von 30.000 EUR, ersatzweise je 250 EUR einen Tag Ordnungshaft (insgesamt 120 Tage) festgesetzt. Die von der Schuldnerin gegen diese drei Beschlüsse jeweils eingelegten Beschwerden sind in allen Fällen ohne Erfolg geblieben.
Ordnungshaft folgt auf Ordnungsgeld
Mitte des Jahres 2015 ist die Schuldnerin erfolglos zur Zahlung der Ordnungsgelder aus den Ordnungsgeldbeschlüssen vom 11.12.2014 und vom 24.2.2015 aufgefordert worden. Die Ladung des Betroffenen zum Antritt der Ordnungshaft aus sämtlichen Ordnungsmittelbeschlüssen ist mehrfach abgeändert und zuletzt auf den 31.1.2017 festgesetzt worden.
Schutzanträge mit Teilerfolg …
Der Betroffene hat am 25.8.2016 beim LG einen Antrag auf Haftverschonung nach Art. 8 Abs. 2 EGStGB gestellt. Hilfsweise hat er die Herabsetzung des Ordnungsgelds beantragt. Das LG hat diese Anträge mit Beschluss vom 20.12.2016 zurückgewiesen.
Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das Beschwerdegericht die Ordnungshaft unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels auf 170 Tage herabgesetzt.
… was dem Schuldner nicht genügt
Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Betroffene die Feststellung, dass die Ordnungsgeldbeschlüsse nicht mehr vollstreckbar sind. Das Beschwerdegericht hatte eine Halbierung der Ordnungshaft als angemessen und die verbliebene Haftzeit nicht als unbillige Härte angesehen. Eine Vollstreckungsverjährung sei nicht eingetreten. Das nachträglich eröffnete Insolvenzverfahren lasse die Vollstreckung unberührt.
2 II. Die Entscheidung
BGH begründet einen weiteren Teilerfolg
Die gegen die Beurteilung des OLG gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist aufgrund ihrer Zulassung gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache wendet sie sich nicht gegen die Beurteilung, es liege kein Fall einer unbilligen Härte im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EGStGB vor. Erfolg hat die Rechtsbeschwerde, soweit sie sich gegen die Vollstreckung aus dem Beschluss des LG vom 11.12.2014 und aus dem Beschluss des LG vom 24.2.2015 wendet. Nicht begründet ist die Rechtsbeschwerde dagegen, soweit sie sich gegen die Vollstreckung aus dem Beschluss des LG vom 20.4.2015 richtet.
1. Vollstreckung aus dem Beschluss vom 11.12.2014
Das OLG ist bei diesem Beschluss und ebenso bei den anderen beiden Beschlüssen mit Recht und von der Rechtsbeschwerde auch unangegriffen davon ausgegangen, dass für die Verjährung des dort festgesetzten Ordnungsmittels gemäß § 890 ZPO die Regelung des Art. 9 EGStGB gilt (vgl. BGHZ 161, 60; BGH GRUR 2012, 427 Rn 7 = NJW 2011, 3791 – Aufschiebende Wirkung). Ebenfalls zutreffend ist die Beurteilung des OLG, nach der Festsetzung eines Ordnungsmittels könne keine Verfolgungsverjährung mehr eintreten, so dass ab diesem Zeitpunkt allein noch die Vollstreckungsverjährung gemäß Art. 9 Abs. 2 EGStGB in Betracht komme (vgl. BGHZ 161, 60, ...