Leitsatz
1. |
Bei einem gewerblichen Mietverhältnis kann für den Mieter ein Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB bestehen, wenn der Vermieter gegenüber Dritten ohne berechtigtes Interesse Behauptungen aufstellt, die geeignet sind, den Gewerbebetrieb des Mieters nachhaltig zu beeinträchtigen, und deshalb die das Schuldverhältnis tragende Vertrauensgrundlage derart zerstört ist, dass dem Mieter unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses auch bei Anlegung eines strengen Maßstabs nicht mehr zugemutet werden kann. |
(amtlicher Leitsatz des BGH)
2. |
In einem solchen Fall ist eine Abmahnung entbehrlich. |
(Leitsatz der Redaktion)
Normenkette
BGB § 543 Abs. 1
Kommentar
Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhältnis über Gewerberäume zum Betrieb eines "Wellness- und Seminarhauses". Die Mieterin hat das Mietverhältnis fristlos gekündigt. Als Kündigungsgrund macht die Mieterin geltend, der Vermieter habe gegenüber Dritten geäußert, sie – die Mieterin – betreibe "ein schlüpfriges Geschäft mit Sexspielchen", "ein verdecktes Puff" und "eine Sekte". Gegenstand der Klage ist u.a. der Anspruch der Mieterin auf Ersatz des Kündigungsfolgeschadens. Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die geltend gemachten Gründe keine Kündigung rechtfertigen; außerdem fehle es an einer Abmahnung.
Der BGH hat das Urteil aufgehoben. Als Kündigungsgrund kommt die Regelung in § 543 Abs. 1 BGB in Betracht. Danach kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Zu den Kündigungsgründen in diesem Sinne zählen auch Pflichtverletzungen des Vermieters, die eine nachhaltige Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zur Folge haben. Ein solcher Fall kann gegeben sein, wenn der Vermieter gegenüber Dritten ohne berechtigtes Interesse Behauptungen aufstellt, die geeignet sind, den Gewerbebetrieb nachhaltig zu beeinträchtigen. Der BGH führt dazu aus, dass die behaupteten Beleidigungen diese Annahme rechtfertigen.
Wird wegen einer Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses gekündigt, so ist eine Abmahnung entbehrlich, weil zerstörtes Vertrauen durch eine Abmahnung nicht wieder hergestellt werden kann.
Im Entscheidungsfall hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil nicht geklärt war, ob der Vermieter die behaupteten Äußerungen getan hat.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 15.9.2010, XII ZR 188/08, GE 2010 S. 1413