Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 22 Abs. 1 WEG
Kommentar
In einer größeren Wohnanlage hatte ein Eigentümer die vorhandene Ofenheizung in eine Gasetagenheizung ausgetauscht, an die eine zentrale Warmwasserversorgung angeschlossen wurde. Die Abluft der Gasheizung wurde über ein Rohr durch die Außenwand der straßenseitigen Fassade im oberen Bereich eines Balkons ins Freie geführt; das Rohr ragte etwa 40 cm über die allgemeine Hausfassade hinaus. Die restlichen Eigentümer widersetzten sich dieser baulichen Änderungsmaßnahme unter Berufung darauf, dass ins Freie geleitete Heizungsabgase eine gesundheitliche Gefährdung und auch Geruchsbelästigungen darstellten; i.ü. würden durch austretende braune Dampfschwaden, deren Feuchtigkeit im Winter an der Unterseite der darüberliegenden Balkone kondensiere und gefriere, Substanzschäden an der Fassade hervorgerufen. Weiterhin sei die Fassade optisch durch den Rohrstutzen verunstaltet; die Änderung sei i.ü. nicht notwendig gewesen, da die Gasetagenheizung an einen Innenkamin hätte angeschlossen werden können.
Das AG München und auch das LG München I folgten dieser Argumentation mit der Begründung, dass die Maßnahme einmal eine nachteilige bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums darstelle, zum anderen auch eine gemeinschaftswidrige Nutzung des Sondereigentums. Das über die Außenmauer hinausragende Rohr erscheine vom Standpunkt eines objektiven Betrachters in architektonischer wie auch in technischer Hinsicht unmotiviert und überflüssig. Das Rohr verleihe der Fassade den Eindruck des Provisorischen. Der Architekt als Entwurfsverfasser hätte solche Maßnahmen niemals von Anfang an eingeplant und würde sie ebenfalls als Beeinträchtigung des optisch-ästhetischen Gesamteindrucks der Fassade bewerten, ebenso als Verletzung seines Urheberrechts an seinen Entwurfsplänen. Zu berücksichtigen sei auch, wie eine Fassade aussehen würde, wenn jeder der restlichen Eigentümer von seinem etwaigen Recht Gebrauch machte, in gleicher Weise auf einen Kaminanschluss zu verzichten.
Laut Aussagen des zuständigen Bezirkskaminkehrermeisters und der Landeshauptstadt München könne von einer zwingenden technischen Notwendigkeit nicht die Rede sein, Heizungsabgase über den Balkon ins Freie abzuleiten (Anschlussmöglichkeit an einen Innenkamin). Auch seien die vom Rohrstutzen ausgehenden Geräusch- und Geruchsbelästigungen für die Umgebung nicht zumutbar. Es sei auch nicht von der Hand zu weisen, dass die auf einen engen örtlichen Bereich konzentrierte Einwirkung erhöhter Luftfeuchtigkeit die Festigkeit des Fassadenputzes beeinträchtige und dazu führe, dass der Winterfrost den Putz an diesen Stellen großflächig abhebe. Damit liege eine gemeinschaftswidrige Nutzung nicht nur des Sondereigentums, sondern auch des Gemeinschaftseigentums im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG vor. Die Tatsache oder die Möglichkeit, dass sich andere Eigentümer ebenfalls gemeinschaftswidrig verhielten, sei nicht geeignet, eine Rechtfertigung für eigenes gemeinschaftswidriges erhalten abzugeben
Link zur Entscheidung
( AG München, Beschluss vom 22.10.1985, UR II 268/85 WEG, bestätigt durch LG München I, Entscheidung v. 21. 3. 1986, 1 T 24769/85, rechtskräftig).
zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer