Leitsatz
Der BGH hat in seinem Urteil vom 16.3.2009 (II ZR 280/07) klargestellt, dass die Zahlungsverbote des § 64 Satz 1 GmbHG und des § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG auch schon in der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist gelten. Innerhalb dieser Frist sollen die Geschäftsführer / Vorstände zwar noch begründeten Sanierungsbemühungen nachgehen dürfen. Für den Fall, dass diese scheitern, müssen sie - so der BGH - jedoch vorsorgen und das Gesellschaftsvermögen zusammenhalten. Verstoßen sie hiergegen, haften sie vollumfänglich auf Rückzahlung der verbotenen Auszahlungen.
Der BGH schließt sich damit der strengen, am Wortlaut der Norm orientierten Auslegung an und lässt im Interesse der Gläubiger das Zahlungsverbot frühestmöglich beginnen. Noch die Vorinstanz (das OLG Dresden) hatte angesichts der strengen Haftungsfolge das Zahlungsverbot erst zum Ende der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht eingreifen lassen wollen.
Hinweis
Gemäß dem neuen § 15a InsO gilt nun für alle juristischen Personen: Unverzüglich nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung müssen die gesetzlichen Vertreter (bei der GmbH: der Geschäftsführer; bei der AG: der Vorstand; bei der Limited: der Director) Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft stellen. Längstens drei Wochen darf begründeten Sanierungsbemühungen nachgegangen werden.
Wird der Insolvenzantrag verspätet gestellt, entsteht häufig ein Schaden - für Altgläubiger verringert sich die Masse und neue Gläubiger hätten gar nicht erst Verträge mit der längst insolventen Gesellschaft abgeschlossen und entsprechende Aufwendungen/Lieferungen getätigt. Für diesen sog. Differenzschaden der Altgläubiger und den Neugläubigerschaden haften nicht mehr nur GmbH-Geschäftsführer und AG-Vorstände, sondern auch Directors einer Limited. So wie § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. als sog. Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB galt, ist dies nun bei § 15a InsO der Fall.
Als noch schärferes Schwert hat sich in den letzten Jahren die Haftungsnorm des § 64 Satz 1 GmbHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG entpuppt. Danach sind (fast) alle Zahlungen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung untersagt. Zulässig sind nur wenige Zahlungen, insbesondere die Abführung des Arbeitnehmeranteils an den Sozialabgaben, die Lohnsteuer und z.B. Aufwendungen, die zur Abwendung des sofortigen Zusammenbruchs des Geschäftsbetriebs notwendig sind. Bei Verstößen gegen das Zahlungsverbot haften Geschäftsführer und Vorstände vollumfänglich auf Rückzahlung der verbotenen Zahlungen. Diese Normen gelten nicht für die englische Limited, für die jedoch die Regeln des wrongful / fraudulent trading Anwendung finden und zwar auch in deutschen Insolvenzverfahren und vor deutschen Gerichten!
Die Zahlungsverbote der § 64 Satz 1 GmbHG und § 92 Abs. 2 Satz 1 AktG gehen damit über eine Insolvenzverschleppungshaftung hinaus. Denn selbst wenn die Geschäftsführer / Vorstände rechtzeitig - nämlich innerhalb der dreiwöchigen Frist - Insolvenzantrag stellen, kommt eine Haftung in Betracht. Die Geschäftsführer und Vorstände haften nach der BGH-Entscheidung nämlich für alle Zahlungen in der Dreiwochenfrist, die nicht ausnahmsweise zugelassen sind.
Jeder Geschäftsführer / Vorstand sollte daher im eigenen Interesse Zahlungen zulasten der Gesellschaft schon während der Dreiwochenfrist auf ein Minimum beschränken. Gezahlt werden sollten nur der Arbeitnehmeranteil an den Sozialabgaben und die Lohnsteuer, denn dies ist einerseits höchstrichterlich abgesegnet und verhindert andererseits die sonst eingreifende Haftung und Strafe für nichtabgeführte Sozialabgaben und Steuern. Alle anderen Zahlungen sind kritisch, auch wenn diese im Einzelfall gerechtfertigt werden können, z.B. wenn sie zur Vermeidung des unkontrollierten Zusammenbruchs der Gesellschaft oder der Erhaltung von Sanierungsmöglichkeiten notwendig sind. Doch ist der Geschäftsführer / Vorstand hierfür, d.h. für die Rechtmäßigkeit der Zahlung beweispflichtig und dieser Beweis wird häufig nicht gelingen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 16.03.2009, II ZR 280/07