Normenkette

§ 22 WEG; Art. 6 BayBO, Art. 7 BayBO; § 551 Nr. 1, 7 ZPO

 

Kommentar

1. Sind die wohnungseigentumsrechtlichen Vorschriften über bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums (wie hier in einer aus 3 Gebäuden bestehenden atypischen Eigentumswohnanlage) wirksam abbedungen, sind für die Begründetheit eines Anspruchs auf Beseitigung einer baulichen Veränderung (hier des Anbaues an ein Haus durch einen Hauseigentümer) die allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften des Privatrechts und des öffentlichen Rechts analog anwendbar und maßgebend (vgl. auch BayObLG, ZMR 2000, 234/236 und Beschluss des Senats vom 14.12.2000, Az.: 2Z BR 60/00).

2. Öffentlich-rechtliche Bestimmungen über die Einhaltung von Abstandsflächen (Art. 6, 7 BayBO) haben nachbarschützenden Charakter (h.R.M.). Soweit sich ein Beseitigungsanspruch auf eine solche dem öffentlichen Recht angehörende Bauvorschrift als Schutzgesetz stützt, bestimmt sich deren Anwendungsbereich ebenfalls nach öffentlichem Recht. Dies gilt auch für die im Baurecht vorgesehene Möglichkeit der Abweichung von den Vorschriften über Abstandsflächen (vgl. Art. 7 Abs. 3 BayBO). Ist Befreiung von der Einhaltung der Abstandsflächen erteilt, fehlt es an einer entscheidenden Voraussetzung des Beseitigungsanspruchs eines Nachbarn. Steht durch die Baugenehmigung fest, dass der Bauherr nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen hat, muss dies ein Nachbar gegen sich gelten lassen.

Wenn hier antragstellerseits behauptet wurde, der Gegner habe den Anbau entgegen der Genehmigung im Baubescheid mit einem Satteldach statt mit einem genehmigten Schrägdach errichtet; so kann sich - sollte diese Behauptung zutreffen - der Antragsgegner nicht auf die Baugenehmigung berufen; weicht er nämlich bei der Bauausführung in so wesentlichen Punkten von der Genehmigung ab, dass er nicht das genehmigte, sondern ein anderes Bauvorhaben erstellt, dann macht er von der Baugenehmigung keinen Gebrauch; diese erlischt vielmehr nach Maßgabe von Art. 77 BayBO. Die Frage "wesentlicher Abweichung" muss neuerlich vom LG geklärt werden, weshalb die Sache zurückverwiesen werden musste.

Ist allerdings der Anbau ohne Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften genehmigtermaßen errichtet, muss er auch antragstellerseits geduldet werden; ein Beseitigungsanspruch besteht dann nicht.

Auf die Vorschriften des privaten Nachbarrechts kann dann das Beseitigungsverlangen ebenfalls nicht gestützt werden; weder das BGB noch das Bayer. private Nachbarrecht schreiben für die Errichtung baulicher Anlagen die Einhaltung eines bestimmten Grenzabstandes vor.

Die in einer Baugenehmigung zugelassene Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächen schließt damit einen auf die Nichteinhaltung dieser Flächen gestützten Beseitigungsanspruch aus.

3. Die Bestimmung des § 551 Nr. 7 ZPO über die Notwendigkeit der Begründung einer Beschwerdeentscheidung ist im wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anzuwenden. Entscheidungen ergehen hier nicht aufgrund der mündlichen Verhandlung, sodass an der Entscheidung auch Richter mitwirken können, die an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen haben (vgl. auch BayObLGZ 1990, 173/175).

4. Geschäftswert III. Instanz DM 15.000,-.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 23.01.2001, 2Z BR 116/00)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

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