Leitsatz
Es liegt ein Verstoß gegen den genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor, wenn im Fall des Ausscheidens von Mitgliedern bei der Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens nicht nur die anteilige Berücksichtigung eines Bilanzverlusts, sondern auch die Auseinandersetzungsguthaben vollständig zur Verlustdeckung herangezogen werden.
Die anteilige Berücksichtigung der im Bilanzverlust enthaltenen Verlustvorträge der Vorjahre ist bei der Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens auch ohne eine entsprechende Satzungsregelung möglich.
Sachverhalt
Der Kläger war Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft. Nachdem er die Mitgliedschaft in der eG zum 31.12.2001 gekündigt hatte, war zwischen ihm und der eG als Beklagte des anschließenden Rechtsstreits die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens streitig.
Nach der Satzung errechnete sich das Auseinandersetzungsguthaben nach dem Geschäftsguthaben des Mitglieds und dessen Geschäftsguthaben aus den Einzahlungen auf die Geschäftsanteile, vermehrt um zugeschriebene Gewinnanteile und vermindert um abgeschriebene Verlustanteile.
In der Mitgliederversammlung der eG im Jahr 2002 wurde der Jahresabschluss 2001 mit einem Jahresfehlbetrag und einem Verlustvortrag festgestellt. Weiter wurde u.a. beschlossen,
- den Bilanzverlust des Geschäftsjahres 2001 auf neue Rechnung vorzutragen,
- das Auseinandersetzungsguthaben der zum 31.12.2001 ausscheidenden Mitglieder unter Schonung der Geschäftsguthaben der verbleibenden Mitglieder zur Verlustdeckung heranzuziehen,
- den nach Heranziehung der Auseinandersetzungsguthaben der zum 31.12.2001 ausscheidenden Mitglieder verbleibenden Verlust auf neue Rechnung vorzutragen.
Der Vorstand der Genossenschaft teilte dem Kläger daraufhin mit, dass die Beklagte in der Mitgliederversammlung beschlossen habe, die Auseinandersetzungsguthaben der ausgeschiedenen Mitglieder zur Deckung des Jahresfehlbetrags heranzuziehen und nicht zur Auszahlung zu bringen.
Entscheidung
Das OLG Dresden hat in seiner Urteilsbegründung zunächst ausgeführt, dass die eG die festgestellten Verluste nicht vorrangig von den Auseinandersetzungsguthaben der ausscheidenden Genossen in Abzug bringen kann. Allerdings könne das Auseinandersetzungsguthaben ungeachtet einer förmlichen Abschreibung anteilig um die aufgelaufenen Verluste gekürzt werden.
Im Ergebnis musste sich das ausgeschiedene Mitglied nach der Entscheidung des Gerichts von seinen Einzahlungen auf die Geschäftsanteile einen Betrag in Abzug bringen lassen, der sich aus der Verteilung des Bilanzverlusts 2001 auf die zum 31.12.2001 von ihm gezeichneten Geschäftsanteile ergab.
Die Genossenschaft kann sich nach Auffassung des Gerichts aber nicht auf eine Verlustabschreibung in voller Höhe des Geschäftsguthabens aufgrund des Beschlusses der Mitgliederversammlung berufen, da der Beschluss mit diesem Inhalt dem ausgeschiedenen Mitglied gegenüber als nichtig zu betrachten ist. Nach den Ausführungen des OLG Dresden verstößt die vollständige Heranziehung der Auseinandersetzungsguthaben und der Vortrag (nur) des danach verbleibenden Bilanzverlusts auf neue Rechnung gegen den genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Zwar gilt dieser als relativer Gleichbehandlungsgrundsatz, sodass eine unterschiedliche Behandlung unterschiedlicher Sachverhalte gerechtfertigt sein kann. Die von der eG geltend gemachten Umstände rechtfertigen die streitgegenständliche Ungleichbehandlung aber nach Auffassung des Gerichts gerade nicht.
Die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ausscheidender Mitglieder liegt aber nach Meinung des Gerichts nicht darin, dass diesen Mitgliedern ihr (anteiliger) Verlust vom Auseinandersetzungsguthaben abgezogen wird und damit von ihnen endgültig getragen wird, während der auf die verbleibenden Mitglieder entfallende (anteilige) Verlust ohne Abschreibung von den einzelnen Geschäftsguthaben pauschal auf neue Rechnung vorgetragen wird. Die Schonung der Geschäftsguthaben der verbleibenden Mitglieder durch den Verlustvortrag ist nach Meinung des OLG Dresden lediglich eine formale Schonung, da sie mit dem Verlustvortrag belastet bleiben und dieser eine Gewinnausschüttung im selben Umfang entgegensteht wie eine Verlustabschreibung von den Geschäftsguthaben (so ausdrücklich BGH, Urteil v. 26.5.2003, II ZR 169/02).
Das Gericht hat weiter ausgeführt, dass jedoch die Ungleichbehandlung, die darin liegt, dass über den anteiligen Verlustbeitrag eines jeden Mitglieds hinaus das volle Geschäftsguthaben der ausscheidenden Genossen zur Verlustdeckung herangezogen werden soll und nur der danach noch verbleibende Verlustanteil auf neue Rechnung vorgetragen werden soll, nicht gerechtfertigt ist. Dies würde bedeuten, dass die ausscheidenden Mitglieder ein Sonderopfer bringen, welches aufgrund des entsprechend verminderten Verlustvortrags den verbleibenden Mitgliedern zugute kommt.
Der Umstand, dass die Benachteiligten ausgeschieden und damit keine Mitglieder mehr sind, ist nach dem Gesetz kein rechtfertigender Differenzierungsgrund. Der ...