1 Grundsatz – Zweck
Rz. 1
Die Vorschrift bezweckt den Schutz von landwirtschaftlichen Forderungen. Beschränkt wird jedoch nur die Pfändung von Forderungen aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Dieser Schutz kann nur auf diese Verkäufe ersetzende Ansprüche erweitert werden (BGH WM 2012, 1439 = Rpfleger 2012, 556 = JurBüro 2012, 494 = FoVo 2012, 131 = Vollstreckung effektiv 2012, 151; Musielak/Voit/Becker, § 851a Rn. 2; Beck’scher Online-Kommentar ZPO-Riedel, § 851a Rn. 4).
Rz. 1a
Die Regelung steht neben der Vorschrift des § 850i ZPO. Grund dafür ist, dass § 850i ZPO durch das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7.7.2009 mit Wirkung ab 1.7.2010 geändert worden ist (BGBl. I 2009, S. 1707). Danach hat der Gesetzgeber den Pfändungsschutz auf "sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind", erweitert. Entgegen der alten Fassung von § 850i in der Fassung bis zum 30.6.2010 (vgl. dazu BGH, ZIP 2008, 1944) wird von der Neuregelung auch jegliche nicht wiederkehrende Vergütung für persönliche Arbeiten und Dienste erfasst. Der Schuldner kann sich daher sowohl darauf berufen, dass die Einkünfte nach § 851a ZPO geschützt sind, als auch darauf, dass ihm nach § 850i ZPO so viel verbleiben muss, wie ihm bei der Pfändung fortlaufender Einkünfte aus Arbeitseinkommen verbliebe (BGH, DB 2014, 1737 = WM 2014, 1485 = ZIP 2014, 1542 = ZInsO 2014, 1609; Ahrens, ZInsO 2010, 2357, 2359). Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob es sich bei § 851a ZPO im Verhältnis zu § 850i ZPO um eine abschließende Sonderregelung handelt oder ob sie einen ergänzenden Pfändungsschutz für bestimmte Einkünfte gewährt.
2 Anwendungsbereich
Rz. 2
Die Norm ist anwendbar bei Forderungen aus dem Verkauf von – nicht erworbenen – Erzeugnissen eines Landwirts (VG München, Beschluss v. 24.5.2011, M 10 E 11.2155 – Juris). Zu den Forderungen aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse zählen auch solche Forderungen, die den Kaufpreis ergänzen bzw. an dessen Stelle treten (so für Ausgleichszahlungen im Rahmen der EG-Getreidepreisharmonisierung BGH MDR 2009, 106 = Vollstreckung effektiv 2009, 44 = BGHReport 2009, 312; OLG Schleswig, RdL 21 (1969), 240, 241; zustimmend MünchKomm/ZPO-Smid, § 851 a Rn. 3). Als Landwirt ist derjenige anzusehen, der im Haupt- oder Nebenberuf die Landwirtschaft als Eigentümer oder Pächter eines Hofes oder als dessen Nießbraucher betreibt. Hierzu zählt auch die sog. "Bullenprämie" (Sonderprämie nach § 1 Nr. 1 der Rinder- und Schafprämien-Verordnung). Sie zählt zu den Einkünften eines Landwirts, auf die er für seinen Unterhalt sowie zur Aufrechterhaltung einer geordneten Wirtschaftsführung angewiesen ist (LG Koblenz, JurBüro 2003, 415; LG Koblenz, JurBüro 2003, 382). Die Regelung erstreckt sich nicht auf Bankguthaben VG München, Beschluss v. 24.5.2011, M 10 E 11.2155 – Juris); hier greift die spezielle Schutzregelung des § 765a ZPO; hinsichtlich Miet- und Pachtforderungen gilt § 851b ZPO. Auf die Pfändung von Zahlungsansprüchen i. S. v. Art. 43 ff. VO (EG) Nr. 1782/2003 ist die Vorschrift nicht anwendbar (BGH, Vollstreckung effektiv 2009, 44 m. w. N. = Rpfleger 2009, 90 = NJW-RR 2009, 411 = KKZ 2010, 159 = MDR 2009, 106 = BGHReport 2009, 312), ebenso bei Ansprüchen auf Auszahlung einer Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten (BGH WM 2012, 1439 = Rpfleger 2012, 556 = JurBüro 2012, 494 = FoVo 2012, 131 = Vollstreckung effektiv 2012, 151).
Der Gesetzgeber hat den Schutz der Landwirte lediglich dahingehend geregelt, dass die Pfändung von Forderungen aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse beschränkt wird. Damit hat er keinen umfassenden Pfändungsschutz für Landwirte derart vorgesehen, dass staatliche Einkommensbeihilfen der Pfändung unter den Voraussetzungen der Norm unterworfen wären.
3 Verfahren (Abs. 1)
Rz. 3
Pfändungsschutz wird nur auf ausdrücklichen Antrag des Schuldners – nicht Dritter – gewährt. Der Antrag ist bis zur Beendigung der Zwangsvollstreckung zulässig. Der Schuldner hat die Voraussetzung darzulegen und notfalls zu beweisen; eine Glaubhaftmachung genügt nicht.
Rz. 4
Es entscheidet das Vollstreckungsgericht (Rechtspfleger, § 20 Nr. 17 RPflG) bei freigestellter mündlicher Verhandlung (§ 764 Abs. 2 ZPO) durch Beschluss, der zu begründen und nach den Grundsätzen des § 329 Abs. 2 und 3 ZPO – auch dem Drittschuldner – zuzustellen ist. Vor der Entscheidung ist der Gläubiger zu hören. Bis zur Entscheidung kann das Vollstreckungsgericht einstweilige Anordnungen treffen (§ 766 Abs. 1 Satz 2 ZPO entsprechend; Zöller/Herget, § 851a Rn. 8). Die dem Antrag ganz oder zum Teil stattgebende Entscheidung spricht aus, dass die Pfändung des vollstreckenden Gläubigers ganz oder zu einem bestimmten Betrag aufgehoben wird.
Rz. 5
Das Gericht hat bei seiner Entscheidung keinen Ermessensspielraum. Zu prüfen ist, ob die Einkünfte, deren Schutz begehrt wird, zum Unterhalt des Schuldners, seiner Familie und seiner Arbeitnehmer oder zur Aufrechterhaltung einer geordneten Wirtschaftsführung unentbehrlich sind. Zu den Forderungen aus dem Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugniss...