Zusammenfassung
Die Regelung wurde mit Wirkung zum 1.12.2021 durch das Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz (PKoFoG; BGBl. I 2020, S. 2466) eingeführt. Sie entspricht den Regelungen in den bisherigen §§ 835 Abs. 4, 850k Abs. 1 Satz 2 ZPO in der bis zum 30.11.2021 geltenden Fassung.
1 Befristete Leistungssperre (Abs. 1 Satz 1 HS 1)
Rz. 1
Die Vorschrift regelt ein Moratorium im Sinne einer befristeten Leistungssperre für künftiges Guthaben auf einem P-Konto; sie betrifft dabei nur das Verhältnis von Drittschuldner und Gläubiger (BT-Drucks. 19/1985, 36). Die Regelung entspricht dem bis zum 30.11.2021 geltenden § 835 Abs. 4 Satz 1 ZPO.
Rz. 2
Um zu gewährleisten, dass dem Schuldner der monatliche Freibetrag für künftige Guthaben auf seinem P-Konto als Existenzminimum unabhängig vom Zeitpunkt der Gutschriften auch im Folgemonat zur Verfügung steht, darf nach Abs. 1 Satz 1 HS 1 der Drittschuldner künftig gepfändetes Guthaben erst nach Ablauf des Kalendermonats, der auf die jeweilige Gutschrift erfolgt, an den Gläubiger leisten oder den Betrag hinterlegen. Bis zum Ablauf dieser Frist kann somit der Schuldner über seinen individuellen Freibetrag auf dem P-Konto verfügen. Hierauf hat der Drittschuldner (Kreditinstitut) zu achten, zumal in den amtlichen Formularen auf Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (vgl. § 2 Nr. 1, 2 ZVFV) beim Anspruch D (an Kreditinstitute) ausdrücklich darauf hingewiesen wird.
2 Keine Verlängerung der Ansparfrist (Abs. 1 Satz 1 HS 2)
Rz. 3
Abs. 1 Satz 1 HS 2 greift die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Vollstreckung effektiv 2015, 20 = NJW-RR 2015, 254 = DGVZ 2015, 56 = NZI 2015, 230 = Rpfleger 2015, 290; BGH, Vollstreckung effektiv 2018, 75 = ZInsO 2017, 2647 = MDR 2018, 54 = Rpfleger 2018, 95) auf, die in ihrer Umsetzung nach den Berichten der Deutschen Kreditwirtschaft teilweise zu Unsicherheiten in der Praxis geführt haben soll. Die Regelung bringt zum Ausdruck, dass durch das in Abs. 1 Satz 1 HS 1 normierte Moratorium keine Verlängerung des in § 899 Abs. 2 ZPO benannten Übertragungszeitraums (von 3 Kalendermonaten) erfolgen kann. Vielmehr ist der Übertragungszeitraum unabhängig von der Auszahlungssperre zu bestimmen. Beispielsweise also in Fällen, bei denen dem Schuldner Zahlungseingänge, wie es insbesondere bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes üblich ist, bereits am Ende des Vormonats gewährt werden, endet die Frist nach § 899 Abs. 2 ZPO mit Ablauf des 3. Monats, der auf den Monat der Auszahlung folgt. Die Frist nach Abs. 1 ZPO hingegen endet mit Ablauf des auf die Auszahlung folgenden Monats.
Gläubiger G pfändet das P-Konto des Schuldners S. Am 29.12.2021 werden dem Konto Sozialleistungen für den Monat Januar 2022 gutgeschrieben.
Lösung
Die Übertragungsfrist von nicht verbrauchtem Guthaben nach § 899 Abs. 2 ZPO endet am 31.3.2022. Die Frist für das Zahlungsmoratorium nach § 900 Abs. 1 Satz 1 HS 1 ZPO endet am 31.1.2022.
3 Gläubigerantrag auf verkürztes Moratorium (Abs. 1 Satz 2)
Rz. 4
Abs. 1 Satz 2 regelt, dass auf Antrag des Gläubigers das Vollstreckungsgericht eine von Abs. 1 Satz 1 abweichende Anordnung treffen kann, wenn sonst unter Würdigung des Schutzbedürfnisses des Schuldners für den Gläubiger eine unzumutbare Härte entstünde. Mit dieser Vorschrift wird in 1. Linie gewährleistet, dass das Vollstreckungsgericht einen von Abs. 1 Satz 1 abweichenden kürzeren Moratoriumszeitraum festlegen kann, wenn sonst für den Gläubiger eine unzumutbare Härte entstünde; hierbei hat das Vollstreckungsgericht die Schutzbedürfnisse des Schuldners zu berücksichtigen.
Rz. 5
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass dem Gläubiger durch ein Abwarten der verlängerten Auszahlungsfrist nur dann eine unzumutbare Härte entsteht, wenn die Härte für den Gläubiger eindeutig schwerer wiegt, als das Schuldnerinteresse. Letzteres ist regelmäßig gegeben, wenn staatliche Transferleistungen zur Existenzsicherung des Schuldners auf dem P-Konto gutgeschrieben werden (BT-Drucksache 17/4776, S. 8). Ein solcher Verkürzungsantrag des Gläubigers dürfte in der Praxis nur eine Rolle spielen, wenn er dringend auf die Zahlungen aus dem pfändbaren Guthaben angewiesen ist. Dies ist vor allem bei einer Pfändung wegen gesetzlicher Unterhaltsforderungen nach § 850d ZPO zu beachten. Insofern ist stets der Einzelfall entscheidend, aufgrund dessen das Vollstreckungsgericht eine Billigkeitsentscheidung (… kann …) treffen muss.
Liegt ein solcher Ausnahmefall zugunsten des Gläubigers vor, hat dies jedoch keine Auswirkungen auf das Pfändungspfandrecht. An einen nachrangigen Gläubiger darf daher nicht mehr ausgezahlt werden, als er beim Ablauf des Moratoriums erhalten hätte (BT-Drucksache 17/4776, S. 9). Vorrangige Gläubiger sind daher weiterhin zuerst zu befriedigen. Insofern macht es für einen nachrangigen Gläubiger keinen Sinn, eine abweichende Anordnung zu beantragen. Sie spielt in der gerichtlichen Praxis auch keine Rolle.
4 Verlängertes Zahlungsmoratorium (Abs. 2)
Rz. 6
Abs. 2 regelt, dass das nach Abs. 1 HS 1 separierte Guthaben in dem auf die Gutschrift folgenden Kalendermonat unpfändbares Guthaben nach § 899 Abs. 1 Satz 1 ZPO darstellt. Abs. 2 entspricht dem bisherigen § 850k Abs. 1 Satz 2 ...