Zusammenfassung
Die Regelung wurde mit Wirkung zum 1.12.2021 durch das Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz (PKoFoG; BGBl. I 2020, S. 2466) eingeführt.
Die Vorschrift regelt den Pfändungsschutz für die Fälle, in denen besondere Geldleistungen ganz oder teilweise nicht für die Zeiträume, für die der Leistungsanspruch besteht, ausbezahlt, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt nachgezahlt werden. Diese Fälle treten in der Praxis häufig auf und sind deshalb regelungsbedürftig. Bei einer solchen Nachzahlung können Geldleistungen für mehrere Zeiträume zusammengefasst und in einem Betrag auf das Zahlungskonto des Schuldners überwiesen werden. Dies kann dazu führen, dass im Auszahlungsmonat die Pfändungsfreigrenzen überschritten werden, obwohl bei Überweisung in dem Monat, für den die Geldleistungen bestimmt sind, kein pfändbares Guthaben entstanden wäre. Die Auszahlungspraxis lässt den Charakter als laufende Geldleistung im Sinne des Kontopfändungsrechts unberührt. Die Nachzahlung kann daher nicht als eine im Sinne von § 902 Satz 1 Nr. 2 ZPO geschützte einmalige Geldleistung angesehen werden. Die Regelung über die Nachzahlung besonderer Leistungen soll einerseits den Pfändungsschutz für den Schuldner, der in der Regel keinen Einfluss auf die Auszahlung durch den Leistungsträger nehmen kann, gewährleisten. Zum anderen werden in bestimmten Fällen aufwändige Berechnungen darüber vermieden, ob nachgezahlte Geldleistungen in dem Monat, für den sie bestimmt sind, zu pfändbarem Guthaben geführt hätten. Insbesondere soll für die Kreditinstitute ohne Weiteres erkennbar sein, welche Nachzahlungsbeträge pfändungsgeschützt sind (BT-Drucks. 19/19850, 40).
1 Nachzahlungen von Sozialleistungen (Abs. 1)
Rz. 1
Abs. 1 regelt, dass nach § 902 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b) und c), Nr. 4 bis 6 ZPO nachgezahlte Geldleistungen in voller Höhe pfändungsgeschützt sind. Es handelt sich um
- Geldleistungen nach SGB II oder XII,
- Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz für den Schuldner selbst oder für Personen, mit denen er in einer Bedarfsgemeinschaft lebt,
- Kindergeld nach dem EStG und andere gesetzliche Geldleistungen für Kinder, es sei denn, dass wegen einer Unterhaltsforderung eines Kindes, für das die Leistungen gewährt werden oder bei dem es berücksichtigt wird, gepfändet wird und
- Geldleistungen, die dem Schuldner gewährt werden und die nach sonstigen bundes- und landesrechtlichen Vorschriften unpfändbar sind.
Die genannten Geldleistungen sind bei monatlicher Auszahlung zwar zumindest teilweise – sei es im Rahmen des Grundfreibetrags, sei es als Erhöhungsbetrag nach § 902 ZPO – geschützt, können aber im Fall der Nachzahlung – vor allem bei längeren Zeiträumen – zu einem pfändbaren Betrag in dem Monat führen, für den sie geleistet werden. Die an der Art der Leistung orientierte Pauschalisierung ist allerdings nach Ansicht des Gesetzgebers gerechtfertigt, weil die Leistungen auch bei Nachzahlung in der Regel zu keinem pfändbaren Betrag führen würden (BT-Drucks. 19/19850, 40).
Rz. 2
Schuldner S und seine Lebensgefährtin L erhalten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von monatlich 1.250 EUR. S ist im Besitz eines P-Kontos. Im Januar 2022 erfolgt aufgrund Neuberechnung eine Nachzahlung von 1.300 EUR für den Zeitraum August 2021 bis Dezember 2021, die dem P-Konto gutgeschrieben wird.
Lösung
Gemäß § 904 Abs. 1 i. V. m. § 902 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b ZPO handelt es sich bei der Nachzahlung von 1.300 EUR um eine unpfändbare Leistung. Das Kreditinstitut als Drittschuldner muss diese bei Nachweis durch S zusätzlich zum Freibetrag von 1.260 EUR auszahlen.
Rz. 3
Soweit es sich um Nachzahlungen gemäß § 902 Satz 1 Nr. 2, 3 ZPO handelt, werden diese von einer Unpfändbarkeit nicht erfasst, sind somit pfändbar. Es handelt sich hierbei um einmalige Sozialleistungen und Geldleistungen zum Ausgleich eines durch einen Körper- oder Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwands sowie um Geldleistungen nach MuKStiftG.
2 Nachzahlungen von bestimmten Sozialleistungen, Arbeitseinkommen (Abs. 2)
Rz. 4
Nach Abs. 2 werden laufende nachgezahlte Geldleistungen nach dem SGB geschützt, soweit der Schutz dieser Leistungen nicht bereits nach Abs. 1 absolut unpfändbar ist. Betroffen hiervon sind insbesondere Zahlungen aus der gesetzlichen Arbeitslosen-, Renten-, und Unfallversicherung oder Krankengeld nach dem SGB V. Ebenfalls wird nachgezahltes Arbeitseinkommen gemäß § 850 Abs. 2, 3 ZPO – wozu auch Beamtenpensionen und Betriebsrenten gehören (BT-Drucksache 19/23171, 30) – erfasst. Dadurch soll eine einheitliche Bescheinigungspraxis für sämtliche laufende Geldleistungen und damit eine Verbesserung des Schuldnerschutzes ermöglicht werden.
Im Einzelnen ist wie folgt zu unterscheiden:
2.1 Bagatellgrenze bis 500 EUR
Rz. 5
Bis zu einer Grenze von 500 EUR sind Nachzahlungen in jedem Fall unpfändbar. Damit entfällt – zur einfacheren Handhabung von Nachzahlungen – eine Rückrechnung, ob in dem Monat, für den die nachgezahlte Geldleistung bestimmt ist, pfändungsfreies Guthaben entstanden wäre. Insofern muss das Kreditinstitut als Drittschuldner ohne weitere Prüfung bis zu der Bagatellgrenze von 500 EUR Nachzahlunge...