Rz. 9

In Nr. 1 ist bestimmt, dass das Vollstreckungsgericht die Höhe des abweichenden Freibetrages in der Regel beziffern muss.

 

Rz. 10

Ausnahmen bestehen, wenn eine bezifferte Festsetzung des abweichenden pfändungsfreien Betrages sowohl den Schuldner als auch das Vollstreckungsgericht unzumutbar belasten würde. Der BGH (BGHZ 191, 270 = NJW 2012, 79 = Vollstreckung effektiv 2012, 23) hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass das Vollstreckungsgericht in bestimmten Fällen den Freibetrag gemäß § 850k Abs. 4 ZPO a. F. durch Bezugnahme auf das vom Arbeitgeber monatlich überwiesene pfändungsfreie Arbeitseinkommen durch einen Blankettbeschluss festsetzen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass das Arbeitseinkommen bei dem Arbeitgeber bereits gepfändet (Doppelpfändung) ist und ständig in unterschiedlichem Maße von den Sockelbeträgen des § 850k Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 ZPO a. F. abweicht. In solchen Fällen wird auf das gepfändetes P-Konto des Schuldners vom Arbeitgeber monatlich nur der unpfändbare Betrag überwiesen; hinsichtlich dieser Zahlungseingänge ist daher bereits die Berechnung des pfändungsfreien Einkommens erfolgt. Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung nunmehr aufgegriffen. Eine Ausdehnung der nicht bezifferten Festsetzung über diese Rechtsprechung hinaus ist allerdings nicht vorgesehen (BT-Drucks. 19/1985, 43).

 

Rz. 11

 
Praxis-Beispiel

Der ledige Schuldner S bezieht durch Schichtdienst monatlich unterschiedliche Nettoeinkünfte vom Arbeitgeber. Gläubiger G pfändet im August 2021 sowohl in das Arbeitseinkommen (Anspruch A) als auch in die Bankverbindung (Anspruch D). S besitzt ein P-Konto. Das Nettoeinkommen im September beträgt 2.000 EUR, im Oktober 1.900 EUR und November 2.100 EUR.

Lösung

Beim Arbeitgeber sind im September nach der Lohnpfändungstabelle Sp. 0 monatlich 523,15 EUR pfändbar. Im Oktober sind es 453,15 EUR und im November 593,15 EUR. Der jeweils unpfändbare Betrag i. H. v. 1.476,85 EUR für September (= 2.000 EUR – 523,15 EUR), im Oktober 1.446,85 EUR (= 1.900 EUR – 453,15 EUR) und im November 1.506,85 EUR (= 2.100 EUR – 593,15 EUR) wird auf das gepfändete P-Konto überwiesen. Da der dortige Sockelfreibetrag gemäß § 899k Abs. 1, § 850c Abs. 1, 4 ZPO aber nur 1.252,64 EUR beträgt, wären von der Bank als Drittschuldnerin zusätzlich im September 224,21 EUR, im Oktober 194,21 EUR und im November 254,21 EUR an G abzuführen.

 

Rz. 12

 
Hinweis

Für Schuldner bedeutet dies, dass sie beim Vollstreckungsgericht in solchen Fällen unter Berufung auf die BGH-Rechtsprechung ausdrücklich beantragen müssen zu beschließen, dass der auf dem gepfändeten P-Konto bestehende Freibetrag dem vom Arbeitgeber monatlich überwiesenen pfändungsfreien Arbeitseinkommen entspricht.

 

Rz. 13

 
Praxis-Tipp

Für Drittschuldner ist zu beachten, dass die Gutschrift des unpfändbaren Arbeitseinkommens als solche zu erkennen sein muss. Daher muss der Beschluss die genaue Formulierung auf dem Überweisungsträger übernehmen, weil ansonsten die Gefahr von Verwechslungen besteht.

Gläubiger müssen darauf achten, dass der Beschluss des Vollstreckungsgerichts nach seinem Wortlaut nicht zu weit gefasst ist. Der Grund besteht darin, dass nach § 899 Abs. 2 Satz 1 ZPO Guthaben, über das der Schuldner in dem jeweiligen Kalendermonat nicht in Höhe des pfändungsfreien Betrags verfügt hat, bis zu 3 Kalendermonate übertragen werden kann. Der Beschluss des Vollstreckungsgerichts darf es dem Schuldner also nicht ermöglichen, Arbeitseinkommen unbegrenzt anzusparen und dadurch dem Gläubigerzugriff vorzuenthalten.

 

Rz. 14

Die Wirkungen eines nach Abs. 2 ergangenen Beschlusses gelten grundsätzlich nur in Bezug auf die konkrete Pfändungsmaßnahme eines bestimmten Gläubigers. Wird ein P-Konto von mehreren Gläubigern unabhängig voneinander gepfändet, so müssen Anordnungen nach Abs. 2 in jedem einzelnen Verfahren beantragt und getroffen werden (MüKoZPO/Smid, 6. Aufl. 2020 Rn. 48, ZPO § 850k Rn. 48).

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