Leitsatz
Besucher eines Supermarkts müssen nicht besonders gegen Hindernisse geschützt werden, die von vorne gut sichtbar und nur bei Rückwärtsbewegungen nicht erkennbar sind.
Sachverhalt
Das OLG hatte über die Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche einer älteren Dame zu entscheiden, die in einem Supermarkt gestürzt war. Sie hatte sich über eine Kühltheke gebeugt. Währenddessen zog eine Mitarbeiterin des Supermarkts hinter der Klägerin einen sog. Palettenhubwagen durch den Gang. In diesem Augenblick trat die Klägerin ein bis zwei Schritte zurück und stürzte über die Unterkante des Hubwagens. Sie zog sich nicht unerhebliche Verletzungen zu. Das LG hat den Supermarkt (gesamtschuldnerisch mit der Mitarbeiterin) zu Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt unter Annahme einer Mitverschuldensquote der Kundin von einem Drittel.
Das OLG hat die Klage vollständig abgewiesen. Es geht davon aus, dass mit Betreten eines Supermarkts ein Schuldverhältnis i.S.d. § 311 BGB begründet wird, mit der Folge einer allgemeinen Schutz- und Obhutspflicht des Supermarktbetreibers gegenüber den Kunden. Allerdings besteht nach Ansicht des OLG kein allgemeines Gebot, andere vor Selbstgefährdungen zu schützen. Nach Auffassung des OLG hat die Klägerin sich durch die Rückwärtsbewegung ohne vorherige Umschau selbst gefährdet. Ein Supermarktbetreiber ist nicht verpflichtet, alle noch so entfernt liegenden Möglichkeiten einer Gefährdung der Kunden in Betracht zu ziehen und diese hiervor zu schützen. Die Verkehrssicherungspflicht beinhalte lediglich, dass für einen vorausschauend und sachkundig Urteilenden die naheliegende Gefahr der Verletzung von Rechtsgütern vermieden werde.
Hierbei seien auch die Sicherungserwartungen der Betroffenen maßgeblich. Die in einen Supermarkt eintretenden Kunden hätten jedenfalls üblicherweise damit zu rechnen, dass mit Hilfe von Palettenhubwagen Regale befüllt würden. Diese Hubwagen seien im Allgemeinen auch gut sichtbar, wobei es nicht darauf ankomme, ob die Hubwagen noch hochbeladen oder bereits leer geräumt seien. Im Ergebnis habe jedenfalls auch der Kunde die Pflicht, sich auf vorsehbare und übliche Gefahrenquellen einzustellen.
Hinweis
Zum Schadensersatz ist gem. § 826 BGB verpflichtet, wer widerrechtlich Leben, Gesundheit oder eines der weiteren dort genannten Rechtgüter eines anderen verletzt.
Dieser Tatbestand kann auch durch Schaffung einer Gefahrenlage erfüllt werden, wenn der Verantwortliche nicht das ihm Zumutbare tut, um eine Gefährdung auszuschließen oder möglichst klein zuhalten.
Das Gleiche gilt für den Inhaber einer Sache, wenn von dieser die Gefahr ausgeht, z.B. Grundstücksbesitzer wie Mieter, Pächter etc.
Der BGH geht davon aus, dass
- eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist.
- Kernfrage vielmehr eine angemessene Risikoverteilung zwischen dem "Gefährder" und den gefährdeten Personen ist.
- der Pflichtige also nicht verpflichtet ist, jede auch noch so entfernt liegende Möglichkeit einer Gefährdung auszuschließen;
- vielmehr muss er die Maßnahmen treffen, die nach den konkreten Umständen zur Abwendung einer erkennbaren Gefahr erforderlich und zumutbar scheinen.
Link zur Entscheidung
Brandenburgisches OLG, Urteil v. 18.3.2009, 13 U 74/08.