Detlef Burhoff, Dr. Holger Niehaus
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Der Verfahrensablauf in der HV richtet sich im OWi-Verfahren nach den §§ 243 ff. StPO und § 71 Abs. 1. |
2. |
Die HV im OWi-Verfahren besteht aus dem Aufruf der Sache, der Präsenzfeststellung, der Vernehmung des Betroffenen, der Verlesung des Bußgeldbescheids sowie der Feststellung, dass gegen diesen Einspruch eingelegt worden ist, der Beweisaufnahme, den Schlussvorträgen sowie dem letzten Wort des Betroffenen und der Verkündung des Urteils sowie der Rechtsmittelbelehrung. |
Rdn 2491
Literaturhinweise:
Böttcher, Das neue Beweisrecht im Verfahren nach dem OWiG, NStZ 1986, 393
Burhoff, Der Beweisantrag im OWi-Verfahren, VA 2007, 207
ders., Die Änderungen im Beweisantragsrecht in 2019 (§§ 219, 244, 245 StPO), StRR 10/2020, 5
Hunsmann, Die Mitwirkung hör-, seh- und sprachbehinderter Personen im Strafverfahren, StRR 2014, 324
s. auch die Hinw. bei → Hauptverhandlung, Allgemeines, Rdn 2372.
Rdn 2492
1. Die Reihenfolge der Verfahrensvorgänge in der HV ergibt sich aus den §§ 243 ff. StPO i.V.m. § 71 Abs. 1. Von der regelmäßigen Reihenfolge der Verfahrensvorgänge kann abgewichen werden, wenn dafür triftige Gründe vorliegen, der Aufbau der HV im Ganzen gewahrt bleibt und die Prozessbeteiligten nicht widersprechen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 243 Rn 1 m.w.N.).
Rdn 2493
2. Der regelmäßige Gang der HV im OWi-Verfahren stellt sich wie folgt dar:
Rdn 2494
a) Die HV beginnt mit dem Aufruf der Sache gem. § 243 Abs. 1 S. 1 StPO. Unterbleibt der (ausdrückliche) Aufruf der Sache oder wird ohne eine Anordnung des Vorsitzenden aufgerufen, gilt als Beginn der HV diejenige Handlung des Gerichts, die als erste erkennbar macht, dass die Sache nun verhandelt wird (Meyer-Goßner/Schmitt, § 243 Rn 4; Burhoff, HV, Rn 1948).
☆ Der Beginn der HV ist bedeutsam für die Frage des Ausbleibens von Verfahrensbeteiligten. Zu den Voraussetzungen und Folgen des Ausbleibens → Hauptverhandlung, Ausbleiben des Betroffenen , Rdn 2398 und → Hauptverhandlung, Ausbleiben des Verteidigers , Rdn 2429 .Frage des Ausbleibens von Verfahrensbeteiligten. Zu den Voraussetzungen und Folgen des Ausbleibens → Hauptverhandlung, Ausbleiben des Betroffenen, Rdn 2398 und → Hauptverhandlung, Ausbleiben des Verteidigers, Rdn 2429.
Rdn 2495
b) Es folgt die Feststellung des Vorsitzenden gem. § 243 Abs. 1 S. 2 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1, ob der Betroffene und sein Verteidiger erschienen sind. Diese sog. Präsenzfeststellung erstreckt sich außerdem darauf, ob die persönlichen Beweismittel (Zeugen und SV) anwesend und die sächlichen Beweismittel herbeigeschafft worden sind.
Rdn 2496
c) I.d.R. werden dann die Zeugen, wenn sie bereits bei Beginn der HV erschienen sind, gleichzeitig nach § 57 StPO belehrt (Meyer-Goßner/Schmitt, § 243 Rn 6; zur Mitwirkung hör-, seh- und sprachbehinderter Personen [im Strafverfahren] Hunsmann StRR 2014, 324). Anschließend verlassen die Zeugen den Sitzungssaal (§ 243 Abs. 2 S. 1 StPO).
Rdn 2497
d) Sodann wird der Betroffene zur Person vernommen, § 243 Abs. 2 S. 2 StPO. Die Vernehmung ist dabei i.d.R. auf die Erhebung der persönlichen Daten zum Zweck der Identitätsfeststellung zu beschränken (KK/Senge, § 71 Rn 69. Der Betroffene ist verpflichtet, die in § 111 genannten Angaben zu machen. Das sind: Vor-, Familien- oder Geburtsname, Tag und Ort der Geburt, Familienstand, Beruf, Wohnort, Wohnung und Staatsangehörigkeit. Darüber hinausgehende Angaben kann er verweigern. Die Identitätsfeststellung soll zugleich die Frage der Verhandlungsfähigkeit klären (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 243 Rn 11). Die bloße Vorlage des Personalausweises durch den Betroffenen reicht nicht aus, um der insoweit bestehenden Mitwirkungspflicht des Betroffenen zu genügen (OLG Hamm NZV 2008, 212 = zfs 2008, 293). Vielmehr muss sich das Gericht durch einen Vergleich des amtlichen Lichtbildes mit der in der HV erschienenen Person davon überzeugen, dass tatsächlich der in dem Verfahren geladene Betroffene erschienenen ist (OLG Hamm, a.a.O.).
☆ Insbesondere gehören Fragen nach Vorstrafen oder Eintragungen im FAER nicht zur Vernehmung zur Person (KK/ Senge , a.a.O.).Vorstrafen oder Eintragungen im FAER nicht zur Vernehmung zur Person (KK/Senge, a.a.O.).
Rdn 2498
e) Es folgt die Verlesung des Bußgeldbescheids oder die Bekanntgabe seines wesentlichen Inhalts durch den Richter. Nimmt ein Vertreter der StA teil (→ Hauptverhandlung, Teilnahme der Staatsanwaltschaft, Rdn 2530), übernimmt er diese Aufgabe. Die im Bußgeldbescheid enthaltene Beschuldigung wird verlesen, wobei zur Verlesung der Teil des Bußgeldbescheids kommt, der dem Anklagesatz einer Anklageschrift entspricht (vgl. § 200 StPO). Dies sind gem. § 66 Abs. 1 Nr. 3 die Bezeichnung der Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der OWi sowie die angewendeten Bußgeldvorschriften (KK/Senge, § 71 Rn 70).
Rdn 2499
Sofern es auf den genauen Wortlaut des Vorwurfs nicht ankommt, kann gem. § 78 Abs. 1 S. 1 von der Verlesung der Beschuldigung abgesehen und stattdessen ihr wesentl...