Leitsatz
Wird eine auf "Vorrat" gegründete GmbH aktiviert oder ein "leerer" GmbH-Mantel wieder mit Leben gefüllt, handelt es sich um eine wirtschaftliche Neugründung. Das wirkt sich auch auf die Haftung und die notwendigen Formalien beim Registergericht aus. Was gilt, wenn die Neugründung nicht ordnungsgemäß offengelegt wird?
Sachverhalt
In diesen Neugründungsfällen haften laut BGH die Gesellschafter für die Auffüllung des Gesellschaftsvermögens bis zur Höhe des auf sie jeweils ausgewiesenen Stammkapitals (Unterbilanzhaftung). Außerdem ist die wirtschaftliche Neugründung dem Registergericht anzuzeigen. Umstritten war bisher, welche haftungsrechtlichen Folgen ein Verstoß gegen diese Offenlegungspflicht hat. Diese Frage hat der BGH nun entschieden.
Im Urteilsfall hatte der Insolvenzverwalter der GmbH gegen die einzige Gesellschafterin eine Forderung in Höhe der von ihm festgestellten offenen Verbindlichkeiten von 36.926 EUR geltend gemacht. Zur Begründung verwies er darauf, dass eine im Jahre 2004 erfolgte wirtschaftliche Neugründung der zuvor unternehmenslosen GmbH vorschriftswidrig nicht gegenüber dem Handelsregister offen gelegt wurde. Der Nennbetrag des Gesellschaftsanteils der Gesellschafterin betrug 25.000 EUR.
Nachdem das LG die Klage abgewiesen hatte, gab das OLG dem Insolvenzverwalter Recht. Mangels der vorgeschrieben Offenlegung traf die Gesellschafterin eine zeitlich unbegrenzte Verlustdeckungshaftung, d.h. die Gesellschafterin hatte für den gesamten Verlust aufzukommen. Eine Verlustdeckungshaftung kommt in der Praxis häufig dann vor, wenn die Vorgesellschaft einer GmbH bereits Geschäfte aufnimmt und zum Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft das Stammkapital nicht mehr vollständig vorhanden ist oder wenn es gar nicht zur Eintragung kommt. In diesem Fall haften die Gesellschafter prozentual entsprechend ihren Gesellschaftsanteilen gegenüber der Gesellschaft für die eingetretenen Verluste.
Nach Auffassung der BGH-Richter kommt als Rechtsfolge des Offenlegungsverstoßes lediglich eine auf den Nennbetrag des Stammkapitals begrenzte Unterbilanzhaftung in Betracht. Aber auch diese trete nicht automatisch ein. Voraussetzung sei, dass zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung eine Deckungslücke zwischen dem tatsächlich vorhandenen Vermögen der Gesellschaft und dem satzungsmäßig ausgewiesenen Stammkapital bestanden habe. In Höhe dieser Deckungslücke setze die Haftung der Gesellschafter ein. Da die Vorinstanz der Frage der Deckungslücke zum Zeitpunkt der Neugründung noch nicht nachgegangen war, hat der BGH den Rechtstreit zur weiteren Sachaufklärung an das OLG zurück verwiesen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 06.03.2012, II ZR 56/10.