Leitsatz
Bei Verwendung einer auf Vorrat gegründeten GmbH oder eines GmbH-"Mantels" bestehen Haftungsrisiken, falls die darin liegende "wirtschaftliche Neugründung" nicht dem Registergericht angezeigt wird. Der BGH hat nun den ( bislang umstrittenen ( Haftungsumfang auf eine Unterbilanzhaftung begrenzt.
Sachverhalt
Bei Gründung muss eine GmbH mindestens über ein Eigenkapital (Aktiva abzüglich Fremdkapital) in Höhe des im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Stammkapitals (gesetzlich mindestens 25.000 Euro) verfügen, was die Geschäftsführer bei der Anmeldung zum Handelsregister zu versichern haben. Andernfalls haften die Gesellschafter für die Differenz.
Anstatt einer Neugründung wird für die Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit vielfach auf eine Vorrats- oder Mantelgesellschaft zurückgegriffen. Vorratsgesellschaften sind Gesellschaften, die - oft von professionellen Anbietern - gegründet und mit dem Mindestkapital ausgestattet wurden, bislang aber noch nicht geschäftlich aktiv geworden sind. Unter "Mäntel" versteht man Gesellschaften mit zwischenzeitlich wieder eingestelltem Geschäftsbetrieb. Ist mit der Mantelverwendung ein Gesellschafterwechsel verbunden, so ist zwar mittlerweile regelmäßig die steuerliche Nutzung von Verlustvorträgen der Mantelgesellschaft nicht mehr möglich (§ 8c KStG). Es gibt jedoch weiterhin Gründe zur Verwendung einer Vorratsgesellschaft: Ein schneller Start eines unternehmerischen Vorhabens kann so realisiert, ein passendes Akquisitionsvehikel für eine Transaktion bereitgestellt oder eine Umstrukturierungsmaßnahme zeitnah durchgeführt werden.
Nach der Rechtsprechung handelt es sich in all diesen Fällen um eine "wirtschaftliche Neugründung" der Vorrats- oder Mantelgesellschaft. Dadurch dürfen die zum Schutz des Geschäftsverkehrs bestehenden gesetzlichen Anforderungen bei Gründung einer GmbH nicht unterlaufen werden. Daher muss die "wirtschaftliche Neugründung" gegenüber dem Registergericht offengelegt werden, und die Geschäftsführer müssen versichern, dass das Stammkapital noch (oder wieder) ungeschmälert vorhanden ist.
Entscheidung
Unterbleibt die Offenlegung gegenüber dem Register und war das Gesellschaftsvermögen nicht mehr in Umfang des Stammkapitals vorhanden, so begründet dies die persönliche Haftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft. Auch der Anteilserwerber haftet hierfür. Unklar war bislang aber der Umfang der Haftung: Besteht diese nur in Höhe einer Unterbilanz zum Zeitpunkt der "wirtschaftlichen Neugründung" (Unterbilanzhaftung), also in Höhe des Betrages, um den das Stammkapital zu diesem Zeitpunkt durch die Verluste gemindert ist? Oder auch für sämtliche, auch nach diesem Zeitpunkt eintretende Verluste (Verlustdeckungshaftung)? Im vorliegenden Fall hatte das OLG München (DB 2010, 836) dem klagenden Insolvenzverwalter einer GmbH Recht gegeben, der die Haftung der Gesellschafter in Höhe sämtlicher bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufener Verluste geltend machte (Verlustdeckungshaftung).
Der BGH (Urt. vom 06.03.2012, II ZR 56/10) hat das Urteil aufgehoben und den Haftungsumfang auf eine Unterbilanzhaftung begrenzt. Bei unterbliebener Anzeige der "wirtschaftlichen Neugründung" haften die Gesellschafter danach für die Differenz zwischen Stammkapital und (niedrigerem) Eigenkapital, welche in dem Zeitpunkt besteht, zu dem die wirtschaftliche Neugründung durch Anmeldung der damit einhergehenden Satzungsänderung oder Aufnahme der Geschäftstätigkeit erstmals nach außen in Erscheinung tritt. Für danach eintretende Verluste haften die Gesellschafter nicht.
Hinweis
Die Entscheidung schafft Klarheit über den Umfang der Haftungsrisiken bei nicht ordnungsgemäßer Verwendung von Vorrats- und Mantelgesellschaften. Der BGH hat deutlich gemacht, dass eine unkalkulierbare "Endloshaftung" der Gesellschafter in Fällen der "wirtschaftlichen Neugründung" im Sinne einer Verlustdeckungshaftung nicht in Betracht kommt. Aber auch das verbleibende Risiko einer Unterbilanzhaftung darf nicht unterschätzt werden. Diese ist nicht etwa auf die Höhe des Stammkapitals beschränkt, sondern umfasst auch den Ausgleich eines zum Stichtag bestehenden negativen Gesellschaftsvermögens. So beläuft sich die Haftung bei einem Stammkapital von 25.000 EUR und einem negativen Gesellschaftsvermögen (also einer Überschuldung) von minus 10.000 EUR auf die volle Differenz, also 35.000 EUR.
Sanktioniert wird die Missachtung der Vorschriften für eine wirtschaftliche Neugründung nach der BGH-Entscheidung vor allem durch eine Beweislastumkehr: Denn bei unterbliebener Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung müssen die Gesellschafter nachweisen, dass das Gesellschaftsvermögen zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung zumindest dem Stammkapital der GmbH entsprach. Nur dann entgehen sie der Unterbilanzhaftung.
Um Haftungsrisiken sicher zu vermeiden, ist bei der Verwendung einer Vorrats- oder Mantelgesellschaft stets auf die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen zu achten. Während bei der Mantelver...