Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Klagerecht einer Gemeinde gegen Offshore-Windpark

 

Leitsatz (amtlich)

§ 3 SeeanlV und die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 1 GG vermitteln einer Gemeinde keine Rechte gegen die Genehmigung eines Offshore-Windparks in der ausschließlichen Wirtschaftszone in einer Entfernung von über 30 Km vor der Küste.

Zur Rüge einer Überspannung der Anforderungen an die Klagbefugnis im Berufungszulassungsverfahren.

 

Verfahrensgang

VG Hamburg (Urteil vom 01.12.2003)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 1. Dezember 2003 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg zuzulassen, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahren einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 30.000 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Die Klägerin ist eine durch den Fremdenverkehr geprägte Gemeinde der Insel Sylt. Sie wendet sich gegen die von der Beklagten der Beigeladenen erteilte Genehmigung, in ca. 34 km Entfernung vor der Insel Sylt im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone der Bundesrepublik Deutschland einen sog. Offshore-Windpark mit 80 Windenergieanlagen zu errichten und zu betreiben. Die Genehmigung soll erlöschen, wenn nicht bis zum 1. Juni 2005 mit dem Bau des Windparks begonnen wird. Die Beklagte hat den Widerspruch der Klägerin gegen den Genehmigungsbescheid vom 18. Dezember 2002 mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2003 zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Klägerin am 11. März 2004 zugestellten Urteil vom 1. Dezember 2003 als unzulässig abgewiesen und ausgeführt, dass es an der Klagbefugnis fehle.

 

Entscheidungsgründe

II. Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Die Berufung gegen das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2003 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg ist nicht zuzulassen.

1. Aus den von der Klägerin dargelegten Gründen ergeben sich keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des Urteiles des Verwaltungsgerichts Hamburg (§§ 124 Abs. 2 Nr.1, 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

a) Die Klägerin macht geltend, die Genehmigung des Windparks in der ausschließlichen Wirtschaftszone der Bundesrepublik Deutschland setze eine genauere Rechtsgrundlage voraus als sie § 3 Seeanlagenverordnung – SeeAnLV – vom 23.1.1997 (BGBl. I S. 57 mit spät. Änd.) biete, auf den die Beklagte die angegriffene Genehmigung gestützt hat. Die sog. Wesentlichkeitstheorie verlange, § 3 SeeAnlV ausdehnend auszulegen, um den verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung zu tragen.

Diese Überlegungen stellen das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht ernsthaft in Frage. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend begründet, dass § 3 SeeAnlV nicht den Schutz der Gemeinden bezwecke. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist die Genehmigung zu versagen, wenn der Windpark die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt oder die Meeresumwelt beeinträchtigt wird. Nach Satz 2 liegt ein Versagungsgrund insbesondere vor, wenn der Betrieb oder die Wirkung von Schifffahrtsanlagen und – zeichen bzw. die Benutzung der Schifffahrtswege oder der Schifffahrt beeinträchtigt werden oder eine Verschmutzung der Meeresumwelt zu besorgen ist. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass diese Norm nicht den Schutz von Individualinteressen der Gemeinden auf Seeinseln, sondern allein öffentliche Belange im Blick hat.

a.a. § 3 SeeanlV verleiht der Klägerin nicht deshalb – wie sie vorbringt – ein Klagerecht, weil die Klägerin zu der von der Norm geschützten Meeresumwelt gehöre. Die Klägerin ist nicht Teil der Meeresumwelt. Zwar mag die Meeresküste und mögen damit die Strände der Klägerin zu dem Schutzbereich der Meeresumwelt gehören. Dafür spricht insbesondere Art. 145 S. 2 a) i.V.m. Art. 56 Abs. 1 b) iii) des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 – SeeRÜbk – (Vertragsgesetz vom 2. September 1994, BGBl. II 1994 S. 1798). Die Klägerin ist aber nicht Sachwalterin der nicht in ihrem Interesse, sondern im öffentlichen Interesse geschützten Meeresumwelt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass § 3 SeeAnlV mit dem Versagungsgrund der Besorgnis einer Verschmutzung der Meeresumwelt im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Nr. 4 SeeRÜbk den Schutz der Seebäder in dem Sinne bezweckt, dass diesen ein eigenes Durchsetzungsrecht zustehen soll. Die ausdrückliche Bezugnahme auf den völkerrechtlichen Begriff der Meeresverschmutzung spricht gerade gegen einen subjektiv-rechtlichen Gehalt. Art. 1 Abs.1 Nr. 4 SeeRÜbk definiert den Begriff der Verschmutzung der Meeresumwelt lediglich allgemein ohne auf einen wie auch immer umschrieben zu schützenden Personenkreis abzustellen. Verschmutzung der Meeresumwelt bedeutet nach dieser Regelung die unmittelbare oder mittelbare Zuführung von Stoffen oder Energie durch den Menschen in die Meeresumwelt, aus der sich abträgliche Wirkungen wie eine Schädigung der lebenden Ressourcen sowie der Tier- und Pflanzenwe...

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