Leitsatz (amtlich)

1. Die von einer örtlich unzuständigen Behörde aufgrund einer praktischen Prüfung, die der Bewerber entgegen § 17 Abs. 3 FeV nicht am Ort seiner Hauptwohnung oder am Ort seiner schulischen oder beruflichen Ausbildung, seines Studiums oder seiner Arbeitsstelle, sondern am Sitz einer Ferienfahrschule abgelegt hat, erteilte Fahrerlaubnis ist rechtswidrig.

2. Die Beantwortung der Frage, ob bei einer praktischen Prüfung, die infolge einer Täuschung der Behörde über den Wohnsitz des Bewerbers nicht am Ort seiner Hauptwohnung, einer Großstadt, sondern nach Besuch einer dortigen Ferienfahrschule in einer Kleinstadt abgelegt worden ist, Bedenken gegen die Befähigung zum Führen eines Kraftfahrzeugs auch dann begründet sind, wenn der Fahrerlaubnisinhaber seitdem nicht im Straßenverkehr aufgefallen ist, oder ob lediglich die Rücknahme der Fahrerlaubnis nach § 48 VwVfG in Betracht kommt, bleibt dem Verfahren der Hauptsache vorbehalten.

 

Verfahrensgang

VG Hamburg (Beschluss vom 02.12.2002)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 2. Dezember 2002 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 25. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2002 wird unter entsprechender Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 10. Juli 2002 – 21 VG 2606/2002 – wiederhergestellt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,– Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller wohnt seit seiner Geburt in Hamburg. Für die Zeit vom 12. November bis zum 2. Dezember 2001 meldete er sich mit Nebenwohnung für die Lüneburger Straße … in Soltau an. Unter dem 12. November 2001 beantragte er über die ihn ausbildende Ferienfahrschule in Soltau beim Landrat des Kreises Soltau-Fallingbostel die Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B. Dabei gab er auf dem entsprechenden Antragsformular seine Adresse mit Lüneburger Straße … in Soltau an. Die theoretische Fahrerlaubnisprüfung bestand er am 4. Dezember 2001 und die praktische Fahrerlaubnisprüfung am 12. Dezember 2001 jeweils in Soltau. Am 3. Januar 2002 erteilte der Landrat des Kreises Soltau-Fallingbostel ihm die beantragte Fahrerlaubnis. Nachdem die Antragsgegnerin in Erfahrung gebracht hatte, dass der Antragsteller seine praktische Fahrerlaubnisprüfung in Soltau abgelegt hatte, entzog sie ihm mit Verfügung vom 25. März 2002 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis. Zur Begründung führte sie aus, dass die praktische Prüfung des Antragstellers den Anforderungen des § 17 Abs. 3 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) nicht entsprochen habe, weil sie nicht wie erforderlich in Hamburg, sondern in Soltau stattgefunden habe. Nachdem der Antragsteller gegen diese Verfügung Widerspruch eingelegt hatte, forderte die Antragsgegnerin ihn im Juli 2002 gemäß § 46 Abs. 4 Satz 2 FeV auf, bis zum 23. August 2002 das Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (Fahrprobe) beizubringen, und setzte bis zu diesem Termin die sofortige Vollziehung aus. In der Begründung heißt es, dass beim Antragsteller auf Grund der zu Unrecht in Soltau durchgeführten praktischen Fahrerlaubnisprüfung die Annahme der mangelnden Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen gerechtfertigt sei. Da der Antragsteller die Beibringung des geforderten Gutachtens verweigerte, wies die Antragsgegnerin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2002 als unbegründet zurück; die Anordnung der sofortigen Vollziehung blieb aufrechterhalten. Gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. Den am 16. Oktober 2002 gestellten Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches bzw. der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 2. Dezember 2002 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und bei Prüfung der dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) auch begründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 und 7 Satz 2 VwGO ist die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verfügung vom 25. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2002 wiederherzustellen. Bei der vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung ergibt sich, dass dem Interesse des Antragstellers, einstweilen (bis zu dem in § 80 b Abs. 1 VwGO genannten Zeitpunkt) weiterhin ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen, Vorrang vor dem von der Antragsgegnerin geltend gemachten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis einzuräumen ist. Denn zum einen lässt sich bei der im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung nicht hinreichend sicher prognostizieren...

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