Leitsatz

  1. Den in § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aufgestellten Anforderungen an eine Individualisierung des im Mahnbescheid bezeichneten Anspruchs kann unter bestimmten Umständen auch dann genügt sein, wenn zwar eine im Mahnbescheid in Bezug genommene Anlage weder diesem beigefügt noch dem Schuldner zuvor zugänglich gemacht worden ist, jedoch die übrigen Angaben im Mahnbescheid eine Kennzeichnung des Anspruchs ermöglichen (im Anschluss an BGH, Urteile v. 28.10.1993, IX ZR 21/93, NJW 1994 S. 323, v. 30.11.1999, VI ZR 207/98, NJW 2000 S. 1420 und v. 6.12.2001, VII ZR 183/00, NJW 2002 S. 520).
  2. Das Erfordernis, einen angegebenen Gesamtbetrag bereits im Mahnbescheid hinreichend aufzuschlüsseln, besteht nur dann, wenn eine Mehrzahl von Einzelforderungen geltend gemacht wird. Anders liegt es, wenn Gegenstand des Mahnbescheids eine einheitliche Schadensersatzforderung ist, die sich aus mehreren unselbstständigen Rechnungsposten zusammensetzt.

(amtliche Leitsätze des BGH)

 

Normenkette

BGB §§ 204 Abs. 1 Nr. 3, 548 Abs. 1; ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 3

 

Kommentar

Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhältnis über ein Einfamilienhaus. Nach Beendigung des Mietverhältnisses war zwischen den Parteien ein umfangreicher Rechtsstreit wegen rückständiger Miete anhängig. Das Verfahren endete mit Urteil vom 21.12.2006, durch das der Mieter zur Zahlung von ca. 3.500 EUR verurteilt wurde.

Der Mieter hatte in dem genannten Rechtsstreit mehrfach vorgetragen, dass ihm Schadensersatzansprüche wegen eines Schimmelbefalls und dessen Folgen zustehen. Diese Ansprüche hat der Mieter Ende Dezember 2006 durch Mahnbescheid geltend gemacht, der dem Vermieter am 24.1.2007 zugestellt wurde. Der Mahnbescheidsantrag lautet über einen Betrag von ca. 29.000 EUR. Der geltend gemachte Anspruch wird dort als "Schadensersatz aus Mietvertrag gem. Aufstellung vom 27.12.2006" bezeichnet. Der Vermieter hat die Verjährungseinrede erhoben.

In dem zur Entscheidung stehenden Fall endete die Verjährungsfrist für die Ansprüche des Mieters am 31.12.2006. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB wird die Verjährung u.a. auch durch die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren gehemmt. Vorliegend ist der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids vor Ablauf der Verjährungsfrist bei Gericht eingegangen; die Zustellung erfolgte ca. einen Monat später. In einem solchen Fall wirkt die Hemmung gem. § 167 ZPO zurück auf den Zeitpunkt der Einreichung des Mahnbescheids.

Allerdings tritt diese Rechtsfolge nur ein, wenn der Mahnbescheidsantrag den Anforderungen des § 690 ZPO entspricht. Unter anderem muss der Mahnbescheid "die Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung" enthalten (§ 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Hierbei kann der Antragsteller auch auf Rechnungen oder andere Unterlagen, insbesondere auf vorgerichtliche Schreiben, Bezug nehmen. Ist das betreffende Schriftstück dem Antragsgegner bereits bekannt, so muss es dem Mahnbescheid nicht beigefügt werden. Maßgeblich ist zum einen, dass der Antragsgegner weiß, wegen welcher Ansprüche er in Anspruch genommen wird. Zum anderen müssen die Ansprüche so genau bezeichnet werden, dass das Gericht einen Vollstreckungstitel erlassen kann.

Vorliegend hatte der Vermieter weder ein vorgerichtliches Schreiben erhalten noch war dem Mahnbescheid eine Aufstellung der Forderungen beigefügt. In einem solchen Fall genügt es, wenn "die übrigen Angaben im Mahnbescheid eine Kennzeichnung des Anspruchs ermöglichen". Diese Voraussetzungen leitet der BGH im vorliegenden Fall aus 2 Umständen ab: Zum einen bestanden zwischen den Parteien außer dem Mietverhältnis keine weiteren rechtlichen Beziehungen, und zum zweiten war dem Vermieter aufgrund des vorangegangenen Rechtsstreits bekannt, dass die Forderungen aus dem mangelhaften Zustand der Mietsache herrührten.

Werden mehrere selbstständige Forderungen geltend gemacht, so muss sich aus dem Mahnbescheid oder aus den Anlagen ergeben, welche konkrete Forderung Gegenstand des Verfahrens sein soll. Vergleichbares gilt, wenn der Gläubiger lediglich eine Teilforderung einklagt. In dem vorliegenden Fall war lediglich eine einzige Forderung im Streit, nämlich der Schadensersatzanspruch wegen des Schimmelbefalls und dessen Auswirkungen auf die Mietsache.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 17.11.2010, VIII ZR 211/09, NJW 2011 S. 613

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