Leitsatz
Die im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids enthaltene Falschangabe des Datums eines vorprozessualen Anspruchsschreibens, auf das der Antragsteller, ohne es dem Antrag beizufügen, zur Individualisierung seines Anspruchs Bezug nimmt, ist unschädlich, wenn für den Antragsgegner ohne Weiteres ersichtlich ist, um welches Schreiben es sich handelt.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB §§ 204 Abs. 1 Nr. 3, 548 Abs. 1; ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 3
Kommentar
Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis endete Ende Februar 2006; die Rückgabe der Mieträume erfolgte Anfang März 2006. Der Vermieter hat den Mieter mit Schreiben vom 2. August 2006 zur Zahlung von 4.300 EUR zum Ausgleich diverser Mietschäden aufgefordert. In dem Schreiben vom 2. August werden die einzelnen Schadenspositionen wie folgt beschrieben und beziffert:
Beschädigungen am Kamin |
4.000 EUR |
Kaminabdeckplatte |
800 EUR |
zwei Türen |
500 EUR |
Fußboden |
600 EUR |
|
5.900 EUR |
abzüglich Kaution |
1.600 EUR |
Rest |
4.300 EUR |
Eine Zahlung erfolgte nicht. Deshalb hat der Vermieter die Forderung mit Mahnbescheid geltend gemacht, der dem Mieter am 18. August 2006 zugestellt wurde. In dem Mahnbescheid ist die Forderung wie folgt bezeichnet: "Schadensersatz aus Unfall/Vorfall gemäß Schreiben vom 28.06.06: 4.300 EUR".
Der Mieter hat die Einrede der Verjährung erhoben. Dem ist das Berufungsgericht gefolgt.
Der BGH ist anderer Ansicht: Die Ansprüche des Vermieters wegen einer Verschlechterung der Mietsache verjähren gem. § 548 Abs. 1 BGB in 6 Monaten nach der Rückgabe. Diese ist Anfang März 2006 erfolgt; die Verjährung tritt in einem solchen Fall Anfang September 2006 ein. Die Verjährung wird u.a. auch durch die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Allerdings tritt diese Rechtsfolge nur ein, wenn der Mahnbescheidsantrag den Anforderungen des § 690 ZPO entspricht. Unter anderem muss der Mahnbescheid "die Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung" enthalten (§ 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO). Hierbei kann der Antragsteller auch auf Rechnungen oder andere Unterlagen, insbesondere auf vorgerichtliche Schreiben, Bezug nehmen. Ist das betreffende Schriftstück dem Antragsgegner bereits bekannt, muss es dem Mahnbescheid nicht beigefügt werden. Maßgeblich ist zum einen, dass der Antragsgegner weiß, wegen welcher Ansprüche er in Anspruch genommen wird; zum anderen müssen die Ansprüche so genau bezeichnet werden, dass das Gericht einen Vollstreckungstitel erlassen kann.
Hier ergaben sich aus der ungenauen Anspruchsbezeichnung 2 Probleme:
1. Der Mahnbescheid nimmt auf ein "Schreiben vom 28.06.06" Bezug. Ein solches Schreiben existiert nicht. Stattdessen gibt es ein Schreiben vom 2. August 2006. Der BGH führt hierzu aus, dass die fehlerhafte Datumsangabe ("28.06.06" statt "02.08.06") auf einem Versehen beruht. Dies sei für den Mieter erkennbar gewesen. Deshalb sei die falsche Angabe unschädlich.
2. In dem Schreiben vom 2. August 2006 wird die Kaution von dem Gesamtschadensbetrag abgezogen. Das Berufungsgericht hat beanstandet, es sei nicht erkennbar, mit welchen der einzelnen Schadensersatzforderungen der Vermieter gegen den Rückzahlungsanspruch aus der Kaution aufrechnen will. Nach der Auffassung des BGH spielt dies keine Rolle. Mangels einer Tilgungsbestimmung werden alle Einzelforderungen verhältnismäßig getilgt (§ 396 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 366 Abs. 2 BGB).
Link zur Entscheidung
BGH, Versäumnisurteil v. 14.7.2010, VIII ZR 229/09, NJW-RR 2010 S. 1455