Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluß. Interessenwiderstreit. Persönliches Interesse. Präsidialrat
Leitsatz (amtlich)
1. Aus der fehlenden Verweisung im § 35 Abs 3 HRiG auf § 34 Abs 3 HPVG, der den Ausschluß von Personalratsmitgliedern an Beratung und Beschlußfassung über Angelegenheiten, die ihre persönlichen Interessen unmittelbar berühren, kann nicht geschlossen werden, daß der Gesetzgeber Ausschließungsgründe für Präsidialratsmitglieder überhaupt nicht anerkennen wollte.
2. Die persönlichen Interessen eines Präsidialratsmitglieds sind nicht nur dann berührt, wenn es durch den Beschlußgegenstand selbst betroffen ist.
Normenkette
HPVG § 34 Abs. 3; HRiG § 25 Abs. 3
Tatbestand
I.
Der Antragsteller und der Beigeladene sind Bewerber um die im Justizministerialblatt für Hessen 1991, Seite …, ausgeschriebene Stelle einer Vizepräsidentin/eines Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts … (R 2 mit Amtszulage nach Fußnote 5 BBesG).
Das gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 VwGO durch Senatsbeschluß vom19. Mai 1992 – 1 Z 905/92 – als zuständiges Gericht bestimmteVerwaltungsgericht Kassel hat den Antrag des Antragstellers,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, vorläufig bis zum Abschluß eines neu durchzuführenden Besetzungsverfahrens die Stelle des Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main durch Ernennung eines Mitbewerbers, insbesondere des Beigeladenen, zu besetzen,
in seinem Beschluß vom 22. Juli 1992 – … – abgelehnt, weil die von dem Antragsgegner zugunsten des Beigeladenen getroffene Personalentscheidung den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletze. Das Auswahlverfahren einschließlich der Beteiligung des Präsidialrats seien ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die entgegen § 47 Abs. 2 Satz 1 HRiG fehlende schriftliche Begründung der Stellungnahme des Präsidialrats schade nicht, da diese Vorschrift nicht im Interesse der Bewerber erlassen worden sei. Der Präsidialrat sei auch ordnungsgemäß besetzt gewesen. Selbst wenn man entsprechend der Verweisungsregelung in § 25 Abs. 3 HRiG die Vorschrift über die personalvertretungsrechtlichen Ausschlußgründe des § 34 Abs. 3 HPVG nicht anwende, sie aber als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes des öffentlichen Dienstrechts ansehe, sei das Präsidialratsmitglied …, nicht unmittelbar von der Entscheidung über die streitgegenständliche Stellenbesetzung betroffen. Auch eine mögliche Bekanntschaft bzw. Freundschaft zwischen ihr und dem Beigeladenen berühre sie nicht unmittelbar in ihrer persönlichen Rechtsstellung als Präsidialratsmitglied; dasselbe gelte in Bezug auf den Beigeladenen hinsichtlich des Umstandes, daß … sei. Die Behauptung des Antragstellers, im Auswahlverfahren hätten politische Gründe eine Rolle gespielt, habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Im übrigen nähmen die Mitglieder des Präsidialrats nicht die Interessen einzelner Richter als Vertreter ihres Berufsstandes, sondern als Organe der Rechtsprechung die Interessen der rechtsprechenden Gewalt wahr. Das ergebe sich letztlich daraus, daß das Letztentscheidungsrecht für die Übertragung eines höheren Richteramtes bei der Justizverwaltung liege.
Auch das Auswahlverfahren selbst sei nicht zu beanstanden. Obwohl der Antragsgegner lediglich auf die Besetzungsvorschläge der Präsidenten des Verwaltungsgerichts … und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs Bezug genommen habe, was gerade noch als ausreichend angesehen werden könne, habe er auf Grund der aktuellen Beurteilungen über die Bewerber zu dem nachvollziehbaren Ergebnis gelangen können, daß der Beigeladene der am beten geeignete Bewerber für die ausgeschriebene Stelle sei, weil er eine volle Notenstufe besser beurteilt worden sei. Die Angriffe gegen sein letztes Dienstleistungszeugnis habe der Antragsteller nicht im einzelnen glaubhaft gemacht.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.
Der Beigeladene hat sich in beiden Rechtszügen nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf den Inhalt der Personalakten des Hessischen Ministeriums der Justiz über den Antragsteller und den Beigeladenen, den Auswahlvorgang des Antragsgegners und den Vorgang des Präsidialrats bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshofs verwiesen, die zum Gegenstand der Senatsberatung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe
II.
Die nach §§ 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Der angefochtene Beschluß ist daher mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung aufzuheben und die begehrte einstweilige Anordnung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange zu erlassen.
Der Senat wendet die Grundsätze seiner Rechtsprechung zum sog. Bewerbungsverfahrensanspruch, wie er sie für beamtenrechtliche Beförderungen entwickelt hat, auch auf Ernennungen eines Bewerbers für ein Richteramt mit höherem Endgrundgehalt als dem eines Eingangsamtes an – hier: Vizepräsident des Verwaltungsgerichts (vgl. Senatsbeschluß vom 26. November ...