Entscheidungsstichwort (Thema)
HARE-NIEMEYER-VERFAHREN. Sitzverteilung. Stimmenauszählung. ungültige Stimme. Wahlausschreiben. Wahlgeheimnis
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Sitzverteilung nach § 24 Abs 1 WO-HPVG F. 1988 (Hare-Niemeyer) werden ungültige Stimmen und Stimmenthaltungen nicht berücksichtigt.
2. Eine gerichtliche Korrektur der Sitzverteilung ist nur bei einer gültigen Wahl möglich.
3. Zu den Anforderungen an das Wahlverfahren, wenn bei einer Gesamtpersonalratswahl wegen der geringen Zahl der Wahlberechtigten an einzelnen Dienststellen das Wahlgeheimnis gefährdet ist.
4. Sind in einer Dienststelle Angehörige verschiedener Gruppen beschäftigt, dann muß jede Gruppe im Wahlvorstand vertreten sein.
5. Der Hinweis auf die Möglichkeit des Einspruchs gegen die Wählerliste und die Angabe des letzten Tages der Einspruchsfrist sind bei einer Gesamtpersonalratswahl dem örtlichen Wahlausschreiben vorbehalten.
Das Wahlausschreiben muß den Ort und die Zeit der Stimmauszählung angeben.
6. Ein Abdruck des Hessischen Personalvertretungsgesetzes und der Wahlordnung zu diesem Gesetz müssen bis zum Ablauf von 14 Tagen nach dem Tag der Bekanntmachung des Wahlergebnisses zur Einsichtnahme ausgelegt werden.
Normenkette
WO § 18 Abs. 1, § 24 Abs. 1, § 36 Abs. 3, § 6 Abs. 3
Tatbestand
I.
Am 28. und 29. Juni 1988 wurde in der Form der Gruppenwahl der Gesamtpersonalrat der Lehrer beim Staatlichen Schulamt der Stadt Kassel gewählt. Nach der Niederschrift des Gesamtwahlvorstandes über das Ergebnis der Wahl vom 4. Juli 1988 entfielen von den 1.930 abgegebenen Stimmen 1.894 Stimmen auf die vier eingereichten Vorschlagslisten. Sechs Stimmen waren ungültig, 30 Stimmzettel enthielten keine Eintragungen. Auf die Vorschlagsliste 1 (DLH – Deutscher Lehrerverband Hessen) entfielen 662 Stimmen, auf die Vorschlagsliste 2 (UL – Unabhängige Lehrer) 292 Stimmen, auf die Vorschlagsliste 3 (VBE – Verband Bildung und Erziehung) 59 Stimmen und auf die Vorschlagsliste 4 (GEW – Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) 882 Stimmen. Der Gesamtwahlvorstand berechnete die Verteilung der der Beamtengruppe zustehenden 14 Sitze wie folgt: er multiplizierte die Anzahl der von jeder Liste erreichten Stimmen mit 14 und dividierte diese Beträge jeweils durch 1.930 (Anzahl der insgesamt abgegebenen Stimmen). Danach entfielen auf die Listen folgende Zahlenwerte: Liste 1 = 4,80207, Liste 2 = 2,11088, Liste 3 = 0,42797 und Liste 4 = 6,39792. Auf der Grundlage dieser Zahlen erhielten die Liste 1 5, die Liste 2 2, die Liste 3 1 und die Liste 4 6 Sitze.
Am 12. Juli 1988 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Kassel das vorliegende Beschlußverfahren eingeleitet, mit dem sie sich in erster Linie gegen die Sitzverteilung in der Gruppe der Beamten des Gesamtpersonalrats der Lehrer beim Staatlichen Schulamt der Stadt Kassel wendet. Sie hat die Ansicht vertreten, bei richtiger Anwendung des in § 24 Abs. 1 der Wahlordnung zum Hessischen Personalvertretungsgesetz vom 8. April 1988 (GVBl. I S. 139 – im folgenden: WO-HPVG F. 1988) vorgeschriebenen Verfahrens bei der Sitzverteilung hätten die ungültigen Stimmen und die Stimmenthaltungen nicht berücksichtigt werden dürfen. Hätte man die auf die einzelnen Vorschlagslisten entfallenden Stimmen mit 14 multipliziert und nicht durch 1.930, sondern durch 1.894 geteilt, hätten sich folgende Zahlen ergeben: Vorschlagsliste 1 = 4,8933, Vorschlagsliste 2 = 2,1510, Vorschlagsliste 3 = 0,4361 und Vorschlagsliste 4 = 6,5195. Der Vorschlagsliste 4 hätte dann ein weiterer Sitz zugeteilt werden müssen, während die Vorschlagsliste 3 keinen Sitz erhalten hätte.
Die Antragstellerin hat beantragt,
festzustellen, daß das Endergebnis der Wahl des Gesamtpersonalrates der Lehrer beim Staatlichen Schulamt für die Stadt Kassel vom 28./29. Juni 1988 dahingehend berichtigt wird, daß auf die Liste 4 (GEW) ein weiterer Sitz entfällt – insgesamt 7 Sitze – und auf die Liste 3 (VBE) kein Sitz,
hilfsweise, festzustellen, daß die am 28./29. Juni 1988 durchgeführte Wahl zum Gesamtpersonalrat der Lehrer beim Staatlichen Schulamt für die Stadt Kassel ungültig ist.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er hat vorgetragen, der hessische Gesetzgeber habe das Sitzberechnungs- und Verteilungsverfahren nach Hare-Niemeyer nicht in vollem Umfang in die Wahlordnung zum Hessischen Personalvertretungsgesetz übernommen. Während nach der Bundeswahlordnung nur Stimmen berücksichtigt würden, die für Listen abgegeben worden seien, honoriere die Wahlordnung zum Hessischen Personalvertretungsgesetz auch solche Wähler, die sich zwar an der Wahl beteiligten, sich jedoch ihrer Stimme enthielten. Diese Stimmen seien deshalb beim Sitzverteilungsverfahren zu berücksichtigen.
Der Beteiligte zu 2) hat keinen Antrag gestellt und sich auch nicht zu dem Verfahren geäußert.
Das Verwaltungsgericht Kassel – Fachkammer für Personalvertretungssachen Land)- hat mit Beschluß vom 23. Juni 1989 – L 108/88 – dem Hauptantrag der Antragstellerin entsprochen. Es hat die Ansicht vertreten, daß na...