Entscheidungsstichwort (Thema)

Recht der Apotheker und Ärzte. Anerkennung von Zusatzzeiten in der Rechtsanwaltsversorgung. Kindererziehungszeite. Mutterschutz. Rechtsanwaltsversorgung. Zusatzzeit. Rechts der freien Berufe

 

Leitsatz (amtlich)

§ 17 Abs. 3 Nr. 4 b der Satzung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Hessen enthält keine Regelung über die Anerkennung einer Kindererziehungszeit, sondern eine auf weibliche Mitglieder beschränkte, in rechtsfehlerfreier Weise auf Gesichtspunkte des Mutterschutzes zurückgreifende Anrechnung einer Zusatzzeit von einem Jahr nach der Geburt eines lebenden Kindes als Ausgleich für die mit der Geburt des Kindes verbundenen beruflichen und familiären Belastungen und Nachteile. Für eine Ausweitung dieser Vergünstigung auf den Vater des Kindes ist auch mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG und das Verfassungsgebot nach Art. 6 Abs. 1 GG kein Raum.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; SGB VI § 56 Abs. 2 S. 3; Satzung Versorgungswerk Rechtsanw. Hessen § 17

 

Verfahrensgang

VG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.09.1999; Aktenzeichen 12 E 2401/97 (V))

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 10.02.2004; Aktenzeichen 6 B 3.04)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers zu 2. gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 8. September 1999 (Az.: 12 E 2401/97 [V]) wird zurückgewiesen.

Der Kläger zu 2. hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger zu 2. darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute und Eltern der am 12. Mai 1993 geborenen T. D.. Der Kläger zu 2. ist ordentliches Mitglied des beklagten Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Hessen. Die Klägerin gehörte dem Versorgungswerk bis Ende November 1995 an.

Der Kläger zu 2. beantragte am 25. März 1996 bei dem Beklagten die Zusatzzeit wegen Kindererziehung für die Geburt seiner Tochter von der Klägerin zu 1. auf ihn zu übertragen.

Mit Bescheid vom 29. Mai 1996 lehnte das beklagte Versorgungswerk den Antrag mit der Begründung ab, nach § 17 der Satzung komme ausschließlich weiblichen Mitgliedern die Anrechnung einer Zusatzzeit von einem Jahr für die Geburt eines lebenden Kindes während der Mitgliedschaft des weiblichen Mitglieds zugute. Er – der Kläger zu 2. – sei zwar Mitglied des Versorgungswerkes, jedoch kein weibliches Mitglied, so dass die Anerkennung einer Zusatzzeit nach der Satzung ausgeschlossen sei.

Den Widerspruch des Klägers zu 2. gegen in den Bescheid vom 29. Mai 1996 wies das Versorgungswerk mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 1997 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, § 17 Abs. 3 Nr. 4b der Satzung sehe das Recht, die besondere Zusatzzeit von einem Jahr für jede Geburt eines lebenden Kindes zu beantragen, nur für weibliche Mitglieder des Versorgungswerks vor. Diese positive Diskriminierung der weiblichen Mitglieder verstoße weder gegen Art. 1 GG noch gegen primäre oder sekundäre Rechte nach europarechtlichen Bestimmungen. Die Satzung knüpfe in der vorgenannten Regelung nicht an der Erziehungsleistung für ein Kind an, wie es § 57 SGB VI tue. Vielmehr komme es ausschließlich auf die Geburt eines Kindes an. Da die Frauen die Kinder gebärten und nach der überwiegenden sozialen Übung in der Bundesrepublik Deutschland, jedenfalls während des ersten Lebensjahres eines Kindes, auch die überwiegende Betreuung, insbesondere die Ernährung (durch Stillen) leisteten, sei die Privilegierung der weiblichen Mitglieder auf eine besondere Zusatzzeit eine sachgerechte Begünstigung der Frauen, die Mitglieder des Versorgungswerks seien. Hierin liege keine negative und zudem willkürliche Diskriminierung der männlichen Mitglieder. § 17 Abs. 3 Nr. 4b der Satzung begründe lediglich ein höchstpersönliches Antragsrecht des jeweiligen weiblichen Mitglieds, das nicht auf den Kindesvater übertragen werden könne. Unabhängig davon könne dem Übertragungsantrag des Klägers zu 2. in Bezug auf die Tochter auch deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil von einer jedenfalls stillschweigend schlüssigen Ausübung des Antragsrechts durch die Kindesmutter in der Halbjahresfrist nach der Geburt des Kindes auszugehen sei.

Am 26. August 1997 erhob der Kläger zu 2. bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main Klage.

Zur Begründung trug er vor, die von dem Beklagten angeführte Satzungsvorschrift in § 17 Abs. 3 Nr. 4b verletze höherrangiges Recht, indem sie lediglich für weibliche Mitglieder nach der Geburt eines Kindes die Anrechnung eines Jahres Zusatzzeit vorsehe. Die Satzungsvorschrift intendiere einen Kinderlastenausgleich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zugleich solle ein Ausgleich in der Vorsorge für den Alters- und Invaliditätsfall im ersten Lebensjahr nach der Geburt eines Kindes gewährt werden, in der dieses einer vermehrten Betreuung und Fürsorge bedü...

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