Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassung von mitbestimmungswidrigen Maßnahmen
Leitsatz (amtlich)
Auch die Duldung von freiwillig geleisteten Überstunden kann einen groben Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Ziffer 3 darstellen.
Wenn der Arbeitgeber seinen Betrieb so organisiert, daß er immer damit rechnen muß, daß Überstunden anfallen, könnt es nicht darauf an, ob es in den Überstunden im jeweiligen konkreten Fall erfahrt oder nicht.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 3, § 23 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Hanau (Beschluss vom 02.07.1987; Aktenzeichen 1 BV 3/87) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Hanau vom 02.07.1987 – 1 BV 3/87 – abgeändert:
1) Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, ohne vorherige Zustimmung des Antragstellers oder der Einigungsstelle Überstunden anzuordnen und Überzeitarbeit verrichten zu lassen, wenn im Betrieb auffallende Arbeit nicht innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit mit vorhandenen Arbeitskräften erledigt werden kann.
2) Für den Fall der Zuwiderhandlung wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld bis zu DM 20.000,– angedroht.
Tatbestand
I.
Die Antragsgegnerin beschäftigt in ihrer Zentralverwaltung, zum Teil in Filialen, etwa 100 Arbeitnehmer. Der Antragsteller ist der bei ihr Gebildete Betriebsrat. Im März 1987 beschäftigte die Beklagte im Rhein-Main-Gebiet eine Dekorateurin, die Zeugin …. Ihre Aufgaben bestehen darin, Auslagen innerhalb der Geschäftsräume herzurichten sowie Schaufensterdekorationen zu besorgen.
Seit dem 1.1.1986 ist eine Betriebsvereinbarung über die Einführung der 38,5 Stundenwoche zwischen den Beteiligten in Kraft, deren Geltungsbereich sich auf alle vollzeitbeschäftigten und teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter/innen und Auszubildenden der Antragsgegnerin erstreckt. Sie nimmt Bezug auf eine weitere Betriebsvereinbarung von 9.5.1984, in der die betriebsübliche Arbeitszeit in bestimmter Weise geregelt ist. Auf den Inhalt der Betriebsvereinbarungen (Bl. 14–17 d.A.) wird Bezug genommen.
Am 17.3.1987 erhielt der Antragsteller folgende Mitteilung:
„Hiermit möchten wir Ihnen mitteilen, daß aufgrund unvorhersehbaren Schwierigkeiten bei der Dekoration der Filiale Roßmarkt für Frau … folgende Überstunden angefallen sind:
Donnerstag, |
12.03.1987 |
2 Stunden |
Freitag, |
13.03.1987 |
3 Stunden |
Samstag, |
14.03.1987 |
5 Stunden |
Montag, |
16.03.1987 |
1 Stunden |
Dienstag, |
17.03.1987 |
1,5 Stunden |
Diese Überstunden werden mit Freizeit abgegolten.”
Nach der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wurde unstreitig, daß die 5 Stunden vom Samstag, dem 14.3.1987 in der F. am F. abgeleistet wurden, weiterhin, daß die Zeugin … etwa im Juli 1986 angewiesen worden war, daß Überstunden vor ihrer Ableistung ihren Vorgesetzten mitgeteilt werden müßten.
Der Antragsteller hat die Ansicht vertreten, im Hinblick darauf, daß schon in der Vergangenheit verschiedentlich die Einhaltung seiner Mitbestimmungsrechte wegen der Anordnung oder Entgegennahme von Überstunden habe angewannt werden müssen, stelle das Verhalten der Antragsgegnerin einen groben Verstoß gegen ihre Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz, nämlich § 87 Abs. 1 Ziff. BetrVG, dar.
Der Antragsteller hat beantragt,
- der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, ohne vorherige Zustimmung des Antragstellers oder der Einigungsstelle Überstunden anzuordnen und Überstunden verrichten zu lassen, wenn im Betrieb anfallende Arbeit nicht mit vorhandenen Arbeitskräften erledigt werden könne,
- der Antragsgegnerin für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe; von 20.000,– DM anzudrohen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, Frau … sei als Dekorateurin in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit frei gewesen. Sie allein könne den Arbeitsumfang einschätzen. Die hier in Rede stehenden Überstunden habe sie aus eigenem Antrieb und ohne der Antragsgegnerin hierüber vorher Bescheid zu geben geleistet. Sie habe ihren Vorgesetzten erst im nachhinein informiert. Ihr sei mitgeteilt worden, daß sie künftig Mehrarbeit vermeiden bzw. vorher Bescheid sagen sollte. Ein kollektiver Bezug liege nicht vor, es sei überhaupt kein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand gegeben. Ein grober Verstoß könne der Antragsgegnerin jedenfalls nicht angelastet werden.
Das Arbeitsgericht hat Beweis über den Vortrag der Antragsgegnerin erhoben durch Vernehmung der Frau … und des Herrn …, des Vorgesetzten der Zeugin, als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 2.7.1987 (Bl. 20–22 d.A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat mit seinen am 2.7.1987 verkündeten Beschluß die Anträge zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung und zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gründe des Beschlusses (Bl. 25–31 d.A.) Bezug genommen.
Gegen diesen ihm am 29.7.1987 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller am 14.8.1987 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Wegen der Einzelheiten der Begründung ...