Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des Abbruchs einer Betriebsratswahl. Durchsetzung durch den Arbeitgeber im Wege einstweiliger Verfügung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch des Arbeitgebers darauf, die von einem Wahlvorstand eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen, kann sich aus der zu erwartenden Nichtigkeit der Betriebsratswahl ergeben.
2. Dies ist der Fall, wenn es von Anbeginn an den gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung einer Betriebsratswahl fehlt, so wenn ein Betrieb nicht unter den Geltungsbereich des BetrVG fällt.
3. § 117 Absatz 2 BetrVG schließt die Errichtung eines Betriebsrats für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen aus.
4. § 117 Absatz 2 BetrVG ist verfassungsgemäß.
5. § 117 Absatz 2 BetrVG ist mit der Richtlinie 2002/14/EG vereinbar.
6. Selbst wenn man von einem Richtlinienverstoß ausginge, führte dies nicht zu einer Anwendung des BetrVG für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen, sondern allenfalls dazu, der Gewerkschaft einen Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung über die Errichtung einer Vertretung im Sinne von § 117 Absatz 2 BetrVG mit dem in der Richtlinie 2002/14/EG enthaltenen Mindestinhalt einzuräumen.
7. Eine richtlinienkonforme Auslegung bzw. Rechtsfortbildung in dem Sinne, dass in Ermangelung eines Tarifvertrages hilfsweise das BetrVG zur Anwendung kommt, ist ausgeschlossen, weil dies die Struktur der Regelung völlig verändern würde und es dem Gesetzgeber überlassen bleibt, welche Regelung er für den Fall vorsieht, dass die Tarifvertragsparteien von der Option des § 117 Absatz 2 Satz 1 BetrVG keinen Gebrauch machen.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; BetrVG § 117 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 18.04.2018; Aktenzeichen 14 BVGa 206/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. April 2018 - 14 BVGa 206/18 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die am 19. März 2018 eingeleitete Betriebsratswahl im Flugbetrieb der Antragstellerin abgebrochen wird.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in einem einstweiligen Verfügungsverfahren über den Abbruch einer Betriebsratswahl.
Der Antragsteller (Arbeitgeber) ist ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz in A, das an 8 Standorten insgesamt 1150 Arbeitnehmer im Flugbetrieb beschäftigt. Für die im Flugbetrieb des Arbeitgebers beschäftigten Arbeitnehmer ist bislang kein Tarifvertrag für eine Vertretung im Sinne von § 117 Abs. 2 BetrVG abgeschlossen. Gemeinsam mit einer Initiativgruppe zur Gründung eines Betriebsrats, bestehend aus mehreren Mitarbeitern des Flugbetriebs, lud die Gewerkschaft "B " für den 19. März 2018 zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands zum Zweck der Gründung eines Betriebsrates ein; insoweit wird auf Bl. 25 der Akte Bezug genommen. Auf dieser Betriebsversammlung wurde der Beteiligte zu 2 (Wahlvorstand) gewählt und der Arbeitgeber mit Schreiben der "B vom 19. März 2018 entsprechend informiert (siehe Bl. 26 der Akte).
Hiergegen hat sich der Arbeitgeber mit einem am 4. April 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gewandt.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 96-97 der Akte) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Arbeitgebers stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter II. (Bl. 97-100 der Akte) verwiesen.
Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Wahlvorstands am 20. April 2014 zugestellt, der dagegen am 23. April 2018 Beschwerde eingelegt und diese am 22. Mai 2018 (Dienstag nach Pfingsten) begründet hat.
Der Wahlvorstand ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe den Prüfungsmaßstab im einstweiligen Verfügungsverfahren verkannt. Ein Unterlassungsanspruch bestehe nur, wenn die Betriebsratswahl mit großer Wahrscheinlichkeit nichtig wäre. Eine bloße Anfechtbarkeit genüge nicht. Die vom Arbeitsgericht herangezogenen Entscheidungen zu Tendenzbetrieben und Religionsgemeinschaften seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar und zudem zeitlich überholt. Zu § 117 Abs. 2 BetrVG besagten sie nichts. Bei der Bildung des Obersatzes blende das Arbeitsgericht die Existenz der Richtlinie 2002/14/EG vollständig aus. Die Richtlinie sei bis 2005 umzusetzen gewesen. Sämtliche Sachverhalte vor 2006 seien daher für die Entscheidung nicht mehr relevant. Ungeachtet dessen verkenne das Arbeitsgericht die Kriterien für die Nichtigkeit der Betriebsratswahl. Es gehe hier um die Frage, ob der Flugbetrieb ein taugliches Subjekt für die Durchführung einer Betriebsratswahl ist und damit um die Auslegung des Betriebsbegriffs. Die mögliche Verkennung des Betriebsbegriffs führe aber nicht zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl. Letztlich könne dies dahinstehen. Das einstweilige Verfügungsverfahren dürfe die Hauptsacheentsche...